Am Samstag 2. März 2024 stach in Zürich ein 15-jähriger muslimischer Jugendlicher einen jüdischen Mitbürger auf offener Strasse nieder. Gemäss der bisherigen Erkenntnislage fand die Radikalisierung im Internet statt. Die aktuellen Vorfälle verunsichern viele Jugendliche in Basel und rufen bereits die Politik auf den Plan. Was kann Digitale Jugendarbeit jetzt leisten? Eine Einordnung.
Eine Kolumne von Endrit Sadiku
Digitale Jugendarbeit ist ein Begriff, den die breite Öffentlichkeit momentan noch wenig wahrnimmt. Erste Anzeichen dafür, dass sich dies allmählich ändert, liefert die NZZ-Ausgabe vom 07. März 2024. Darin wurden erste Ansätze öffentlich diskutiert, wie Profis aus der Jugendarbeit durch langjährigen Beziehungsaufbau zu ihrer Klientel einen entscheidenden Vorteil in der Prävention erhalten. Als Beispiel dient eine Jugendgruppe im Kanton Zürich, die sich durch die Social Media religiös radikalisiert hat. Als Massnahme luden die Jugendarbeitenden einen Imam für eine offene Fragerunde mit der betreffenden Jugendgruppe ein, ein Schritt, der viel Beachtung erntete und die Wogen unter den Jugendlichen nach einigen Wochen glättete. Dieses Beispiel zeigt – als ein Teil der Digitalen Jugendarbeit – exemplarisch auf, wie ein Thema aus der digitalen Welt aufgegriffen und der Diskurs in die analoge Welt, dort wo eben Beziehungen greifen, transferiert werden kann.
Mit Videobeträgen Narrative gegen Radikalisierung entwickeln
Ein weiterer Ansatz ist die Verhinderung der Radikalisierung vor Ort – also dort wo sie entsteht, nämlich online. Die nationale Plattform Jugend & Medien führte in den Jahren 2017 bis 2019 verschiedene Pilotprojekte durch und entwickelte Gegennarrative. Alternative Narrative dekonstruieren und diskreditieren extremistische Botschaften mit theologischen Argumenten und Humor. Sie identifizieren Fake News und regen den kritischen Verstand an. Jugendliche werden ermächtigt, Fragen zu stellen, Inhalte zu reflektieren und zu hinterfragen. Gegennarrative vermitteln positive Botschaften, beispielsweise wie man ein Thema positiv statt negativ anpackt. Gegennarrative vermitteln die positiven Werte des Zusammenlebens, der sozialen Integration und der demokratischen Rechtsordnung in der Schweiz.
Hoher Partizipationsgrad
Damit die Gegennarrative gelingen, braucht es einen hohen Partizipationsgrad und die Betroffenheit von Jugendlichen. Jugendliche produzieren etwas zusammen mit Fachpersonen Videobeiträge, welche ein wünschenswertes Zusammenleben in Basel thematisieren. Jugendliche wirken dabei am besten im Storytelling mit, in der Regie, vor und hinter der Kamera. Auch die Form der Videobeträge kann variieren: Von kurzen TikTok-Videos über einen Dokumentarfilm bis hin zum Kurzfilm ist alles möglich. Sie teilen die Videos per Social Media, wobei die Botschaften weitere Jugendliche erreichen. Auch die Zusammenarbeit mit bekannten Influencern kann hilfreich sein, um eine hohe Reichweite und Aufmerksamkeit zu erzielen.
Politik steht vor Entscheidung
Zurück nach Basel: Die zu Beginn erwähnten Geschehnisse sind in der Politik nicht unbemerkt geblieben. Am 21. März 2024 reichte ein Parlamentsmitglied im Basler Grossen Rat eine dringliche Anfrage an den Regierungsrat ein. In dieser Anfrage geht es um die Stärkung der Digitalen Jugendarbeit von JuAr Basel. JuAr Basel betreibt seit dem letztem Jahr eine kleine zentrale Stelle für Digitale Jugendarbeit, welche von einer Stiftung finanziert wird. Die Politik in Basel hat jetzt entschieden, von 2024 bis 2027 erhalten wir jährlich immerhin 15’000 Franken für die Digitale Jugendarbeit. Was klar ist: Digitale Jugendarbeit allein verhindert keine Radikalisierung und muss zwingend, als eine von verschiedenen Massnahmen innerhalb eines Bündels betrachtet werden.
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