Von Christian Platz
Ich kann es leider nicht anders sagen: Die Mädchenarbeit fristet weiterhin ein Schattendasein. Seit über zwei Jahrzehnten leistet Mädona, der Treff von JuAr Basel für Mädchen und junge Frauen, hervorragende Arbeit. Trotzdem konnte dessen Finanzierung nie richtig gefestigt werden. Inzwischen hat das Mädona zwei Adressen: eine an der Unteren Rebgasse im Kleinbasel und eine im Gundeli. Beide stellen für die zahlreichen Besucherinnen – diese Aussage höre und dokumentiere ich nun seit vielen Jahren – ein «zweites Zuhause» dar. Doch die Mädchenarbeit ist immer wieder allerlei Feindseligkeiten ausgesetzt, auch in Fachkreisen und politischen Zirkeln. Und gerade dies ist einer der Gründe dafür, dass sie unterstützenswert ist und bleibt und weitergehen muss.
Diese leidigen Fragen
Carmen Büche und Angi Orlando, die das Mädona nicht nur seit vielen Jahren leiten, sondern auch angesehene Fachfrauen für offene Mädchenarbeit sind, können die Fragen bald nicht mehr hören: Warum macht ihr nichts für Jungs? Jetzt stehen ja Genderthemen und LGBTQ+ im Zentrum, warum macht ihr nichts für diese Gruppen? Warum macht ihr Schmink- und Backtage, das entspricht doch nur wieder diesem klassisch-überholten Frauenbild? Entschuldigung, aber angesichts der Lebensrealitäten der Besucherinnen und Stammbesucherinnen des Mädona, auf die das Team dieses Angebots flexibel, pragmatisch, ideenreich und hochprofessionell reagiert, klingen diese Fragen wie Hohn. Und angesichts der wichtigen Arbeit, die dieses Team leistet, ist es nicht einzusehen, warum wir die Finanzierung des Mädona immer wieder bei Stiftungen (denen wir an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön entbieten) und der Stadt zusammenkratzen müssen. Eine Arbeit, die hohe Kontinuität, gesellschaftliche Relevanz und Kompetenz aufweist und schlicht auf Notwendigkeiten basiert, findet permanent auf unsicherem finanziellem Boden statt. Das kann doch nicht, das darf doch nicht sein.
Arrangierte Trauungen in den Sommerferien
Schon die Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund, die ganz real zwischen zwei Kulturen leben – dadurch manchmal fast zerrissen werden – und in unserer Stadt objektiv betrachtet eine marginalisierte Gruppe darstellen, macht das Mädona unverzichtbar. Die Angst vor arrangierten Hochzeiten in den Sommerferien, Familien, die jungen Frauen Ausbildungen verbieten, medizinische Probleme und psychische Störungen, die zu Hause ignoriert werden, Unkenntnis von staatlichen und privaten Hilfsangeboten, schwaches und immer wieder gedemütigtes Selbstbewusstsein – so sehen Lebensrealitäten in Basel-Stadt aus, denen die Frauen vom Mädona immer wieder direkt in die Augen schauen!
Ungleichheiten in vielen Bereichen
Dazu kommt der Umstand, dass trotz Fortschritten immer noch zahlreiche geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen, Ungleichheiten in vielen Bereichen des Lebens: Lohnungerechtigkeit, weniger Berufschancen, weniger Chancen auf Bildung für Mädchen und Frauen. Es ist doch in Wirklichkeit so, dass die traditionellen Geschlechterrollen und Stereotypen vielerorts einfach weiterbestehen. Zahlreiche Mädchen und junge Frauen können ihr Potenzial immer noch nicht voll entfalten. Genderthemen und LGBTQ+? Sind bei JuAr Basel hochwillkommen. In vielen unserer Jugendzentren, auch im Mädona, werden diese Thematiken aufgenommen. Aber auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Mädona vor allem eins bleibt: ein sicherer Heimathafen für Mädchen und junge Frauen. JuAr Basel macht übrigens ausserordentlich viel für Jungs. In allen unseren Jugendzentren bleiben die männlichen Teenager die zahlenmässig dominierende Gruppe. Und ja, viele Mädchen verhalten sich anders, wenn Jungs dabei sind, getrauen sich nicht, ihre Themen und Anliegen wirklich vorzubringen, ordnen sich – tragischerweise – unter. Auch deshalb braucht es das Mädona und seine beiden Standorte.
Von Gewalt betroffen
Mädchen und junge Frauen sind auch hier und heute oft von Gewalt, Belästigung, gerade auch sexueller, und Diskriminierung betroffen. Die allgegenwärtige Internetpornografie verunsichert sie zusätzlich. Auch weil diese Inhalte bei einem Teil der jungen Männer die Erfüllung sexueller Anliegen als Selbstverständlichkeit verankern, die in Wirklichkeit ein hohes Mass an Vertrauen, Vertrautheit und gegenseitigem Einvernehmen erfordern. Noch immer wird das deutliche Nein einer jungen Frau oft, allzu oft nicht akzeptiert. Mädona bietet Mädchen und jungen Frauen Schutz, Unterstützung und Aufklärung, stärkt ihr Selbstbewusstsein und verringert dadurch Risiken. Die Back-Workshops, die Schmink- und Haartage sind hier eben längst nicht alles, jedoch entsprechen sie auch den Bedürfnissen der Kundschaft. Aber diese Bedürfnisse sind komplex gewirkt, denn Gesundheitsaufklärung, Workshops mit der Polizei, Workshops zu Frauenthemen, Berufsthemen, Emanzipationsthemen stossen auf genauso viel Interesse.
«Es ist gut, wie du bist. Bleib so!»
Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich in diesem Text Themen anspreche, die dem Selbstbild unserer heutigen Gesellschaft, wie es in wissenschaftlichen, politischen, progressiven und wirtschaftlich wohlversorgten Kreisen gepflegt wird, nicht entsprechen. Doch auf der Strasse, in vielen Häusern von Basel-Stadt sind diese Themen akut vorhanden. Und wenn wir nicht darüber reden, diese Probleme nicht angehen, weil es sie nicht geben darf, dann marginalisieren wir Mädchen, junge Frauen und ihre Anliegen einfach noch mehr. Das Ziel der Jugendarbeit von Mädona ist und bleibt die Förderung und Schaffung einer gerechteren und gleichberechtigten Gesellschaft. Für JuAr Basel gehört Mädchenarbeit zur offenen Jugendarbeit. Die Botschaft des Mädona an die Mädchen und jungen Frauen bleibt ein und dieselbe: «Es ist gut, wie du bist. Bleib so!» Und das ist auch meine Botschaft an unsere Fachfrauen vom Mädona. Ich danke Carmen und Angi für ein weiteres erhellendes Gespräch in bester Atmosphäre.
_________________________________________________________________________________________