Seit Jahren – man kann bald sagen, Jahrzehnten – wird die Jugendberatung von JuAr Basel rege genutzt, mit schwerwiegenden, komplexen Fällen eingedeckt, ist in personeller Hinsicht gleichzeitig drastisch unterbesetzt und deshalb überlastet. Endlich wird aus dem zweiköpfigen Team ein Kleeblatt. Doch die günstige neue Situation ist noch nicht gesichert.
Im sozialen Basel geniessen Christoph Walter und sein Team einen ausgezeichneten Ruf. Ihr niederschwelliges und – das gehört zur DNA von JuAr Basel – freiwilliges psychosoziales Beratungsangebot vollbringt seit Jahren beachtliche Leistungen. Schulden, Probleme in der Familie, mit der Finanzierung der Ausbildung, Armut, drohende Obdachlosigkeit. Eine Stadt in der Grösse von Basel hat natürlich ihre Schattenseiten, kennt Unglück und Ungerechtigkeit – und davon sind auch junge Menschen betroffen. Das Team unserer Jugendberatung verfügt, das Resultat jahrelanger – auch zäher – kontinuierlicher Arbeit, über das Wissen, die Vernetzung, die Methoden, die solchen jungen Menschen helfen. Unter den Fällen gibt es ausserordentlich dramatische Geschichten, die dank dem Einsatz unserer Leute nicht den schlimmstmöglichen Ausgang genommen haben. Wir haben in unseren Publikationen immer wieder solche Fälle geschildert (einiges davon kann auf unserer neu gestalteten Homepage www.juarbasel.ch nachgelesen werden).
Inhaltlich ist die Jugendberatung von JuAr Basel eine grosse Erfolgsgeschichte. Die Kompetenzen, die hier erarbeitet wurden und stetig erweitert werden, sind von allen Basler Fachstellen im Jugendbereich anerkannt, staatlichen und institutionellen. Die Vernetzungspartner*innen schätzen und nutzen dieses Angebot. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen finden den Weg hierher seit Jahren von selbst, wegen der Überlastung hat JuAr Basel nie Werbung für die Jugendberatung gemacht. Denn immer wieder hatte das Team so viele Fälle auf dem Tisch, dass Wartelisten eingeführt werden mussten, um laufende Fälle und deren Beratungsintervalle noch gewährleisten zu können. Die Niederschwelligkeit des offenen Angebotes ist damit sofort gefährdet, insbesondere bei der jungen Zielgruppe, die sich vielleicht das erste Mal in ihrem Leben um einen Beratungstermin bemüht. Für das Team ein ganz schlechtes Gefühl. Wenn es brennt, ist abwarten ja nicht gerade die beste Massnahme.
Die Finanzierung des Angebots hingegen, gestaltete sich immer problematisch. 140 Stellenprozente, finanziert durch das Erziehungsdepartement, verteilt auf zwei gut-ausgebildete, erfahrene Fachpersonen, in einer Position, die grossen Druck mit sich bringt, das ist schon lange nicht mehr angemessen für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Kantons Basel-Stadt. Während der Corona-Zeit hat sich der Ansturm der Fälle auf das Angebot vervielfacht und sie wurden zunehmend gravierender, so wie auch die Jugendpsychiatrie – und halt der gesamte Bereich der Jugendhilfe – an ihre Grenzen gestossen sind. Aus diesem Grund unterstützt das Gesundheitsdepartement die Jugendberatung mit zehn zusätzlichen Stellenprozenten, die, angesichts der wachsenden, beinahe unzumutbaren Belastung, hochwillkommen waren.
Die Jugendberatung wurde vor einigen Jahren der Fachstelle Jugendhilfe des Erziehungsdepartements zugewiesen. Damit wurde sie aus dem Gesamtkuchen der Offenen Jugendarbeit der JuAr Basel gelöst. Dies bedeutet leider auch, dass für die Mittel, die dieses Angebot erhält, nun separat aufwendige Verhandlungen geführt werden müssen. An der realen Situation hat sich damit nicht viel geändert. Trotz der Belastung des Teams rückte die Schaffung einer dritten Stelle in weite Ferne. Auf die Belastung wurde unter anderem mit Zugangsbeschränkungen reagiert. So durfte die Jugendberatung in den letzten sieben Jahren keine jungen Erwachsenen mehr beraten, die Sozialhilfe beziehen, da keine Leistungsvereinbarungen zu Stande kamen. Das heisst: eine hochgradig volatile Klientel wurde einfach von einem freiwilligen Angebot der Offenen Jugendberatung ausgeschlossen. Für uns – offen gesagt – eine Absurdität.
Nun, gleichzeitig regten unsere Partner*innen vom Erziehungsdepartement an, dass sich das Team der Jugendberatung vermehrt um Care Leaver kümmern könnte, also um junge Leute, die aus einer Jugendhilfemassnahme kommen und sich nun ein eigenes Leben aufbauen müssen. Das freiwillige Beratungsangebot als Anschlusslösung an die beendete Massnahme, als sinnvolle Option bei bestehendem Bedarf. Hier ist der Einsatz der Jugendberatung auch präventiv zu sehen (wie unsere Leute auch immer wieder feststellen, wenn sie Schulbesuche machen: der Informationsbedarf bei jungen Erwachsenen, wenn es darum geht, Schuldenfallen zu vermeiden ist enorm hoch) und ausserordentlich hilfreich. Jetzt kommt der Clou: viele dieser Care Leaver werden von der Sozialhilfe unterstützt und waren deshalb bei der Jugendberatung von JuAr Basel ausgeschlossen…
Diese Situation wurde vom Team, der Geschäftsführung und dem Vorstand von JuAr Basel für unhaltbar erklärt. BASTA Grossrat Oliver Bolliger bereitete eine Motion an die Regierung vor, reichte sie ein… Und am 15. März dieses Jahres erhielten wir einen befreienden Brief vom Erziehungsdepartement: Zugangsbeschränkung aufgehoben. Offen ist jedoch noch die Frage nach zusätzlichen Stellenprozenten für den neuen Beratungsbedarf der jungen Erwachsenen mit Sozialhilfeunterstützung. Eine erneut wachsende Warteliste wäre fatal und würde erneut «Wegbrecher*innen» produzieren, die eigentlich dringend Handlungsbedarf anmelden, jedoch nicht zeitnah abgeholt werden können. Dank dem Aufbau des Care-Leaver-Projekts, konnten wir bereits eine weitere erfahrene Fachfrau anstellen, finanziert durch Eigenleistung. Ob diese Stelle auf nächstes Jahr gesichert werden kann, wird die Beantwortung unseres Finanzgesuchs durch das Erziehungsdepartement weisen. Die Jugendberatung ist nun erstmals in ihrer Geschichte mit drei Personen besetzt, zu 170 Stellenprozenten. Jetzt stehen Verhandlungen mit der Jugendhilfe an, dabei kann es nur unser Ziel sein, die derzeitige Situation für ein offenes, freiwilliges Beratungsangebot für die junge Zielgruppe – mindestens – zu sichern. Das Care-Leaver-Projekt sowie der nun wieder mögliche Zugang für junge Erwachsene aus der Sozialhilfe, stellt uns vor neue Herausforderungen, die auch mit veränderten Bedingungen für unser Team verknüpft sein müssen. Wie schön wäre es, wenn aus dem Lichtstreifen am Horizont ein Sonnenaufgang würde.