Mehr Mittel für die Offene Kinder- und Jugendarbeit
Liebe Leser*innen
Liebe Freund*innen von JuAr Basel
Liebe Alle
Die erste Botschaft dieses Frühlingsnewsletters von JuAr Basel ist eine hocherfreuliche: Am 15. Mai hat der Grosse Rat unserer Stadt entschieden, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit für die Jahre 2024 bis 2027 deutlich höhere Mittel erhält. Insgesamt handelt es sich um 35,4 Millionen Franken, die an 14 Institutionen gehen, darunter JuAr Basel.
Ein Bericht der Bildungs- und Kulturkommission (BKK) des Grossen Rats, der sehr stark zugunsten dieser Erhöhung der Staatsbeiträge für unseren Arbeitsbereich ausgefallen ist, hat am Ende wohl den Ausschlag gegeben. Hinter dem Erfolg stecken jahrelanges Diskutieren, Verhandeln, Ringen, auch für unsere Organisation. Denn es war schon lange klar, dass wir mehr Mittel brauchen, weil unsere Löhne tief sind und es für uns bei steigendem Teuerungsausgleich sofort eng wird. Einige Jugendhäuser werden förmlich vom Publikum überrannt, haben jedoch viel zu kleine Teams. In den letzten Jahren trat zudem der Bedarf nach digitaler Jugendarbeit auf. Und wir verfügten im Wesentlichen immer noch über die gleichen Mittel wie vor 20 Jahren.
Wir haben den Bedarf an unzähligen Sitzungen angemeldet, haben immer wieder Politik und Öffentlichkeit informiert – ehrlich und pointiert – und waren Thema in den Medien. Zunächst haben sich die Organisationen aus dem Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit einzeln engagiert. In den letzten Jahren ist unser Fachverband, die IG Kind und Jugend Basel (IG KiJu) immer stärker geworden. Für JuAr Basel ist heute Mirjam Rotzler im Vorstand des Verbands, vorher war es ihr Vorgänger Albrecht Schönbucher. Die Präsidentin der IG, Heidi Mück, hat die Forderung nach mehr Mitteln für die Offene Kinder- und Jugendarbeit unermüdlich unterstützt und vorangetrieben. Ihr gebührt unser grösster Respekt. Wir danken auch unserer Vorstandsfrau, der Grossrätin Nicole Amacher, die sich auf der politischen Bühne sehr stark für das Anliegen eingesetzt hat – und wir danken allen Mitgliedern der BKK und des Grossen Rats für die wertschätzenden Voten.
Die Mitglieder der IG KiJu sind also gemeinsam an die Arbeit gegangen und haben das ganze Bündel an Mehrbedarf zu einem stimmigen, argumentativ gut unterlegten Paket geschnürt. Auch vor der BKK sind die IG-Organisationen gemeinsam angetreten, darunter natürlich Mitarbeitende von JuAr Basel, und haben ihre Anliegen präsentiert. Offenbar sehr stimmig. Die Resultate sprechen für sich.
Es stimmt uns zuversichtlich, dass der BKK-Bericht derart positiv ausgefallen ist, dass im Grossen Rat ohne Gegenstimme für unser Anliegen entschieden und damit ein Zeichen für die Offene Kinder- und Jugendarbeit gesetzt wurde. Nun geht es für die Geschäftsleitung und den Vorstand von JuAr Basel in eine neue Verhandlungsrunde mit unseren Partnern vom Erziehungsdepartement. Auf die Ergebnisse sind wir gespannt. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, liebe Leser*innen.
Ich wünsche Ihnen allen viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Newsletters, der mit aktuellen Themen aus der Arbeit von JuAr Basel gefüllt ist. Wir besuchen den PurplePark im Gundeli, dessen Aussenanlage auf innovative Weise umgestaltet werden soll, bringen Hintergründe zum zwanzigsten Geburtstag des Pärkli Jam-Festivals im St. Johann, berichten über einen grossen Strategieworkshop bei JuAr Basel und unsere Praxisausbildung. Dazu kommt eine weitere Kolumne von unserem Mitarbeiter Endrit Sadiku über digitale Jugendarbeit.
Zudem wünsche ich Ihnen allen einen schönen Frühling.
Angefangen hat es 2004 im Schützenmattpark, im Umfeld des Bandproberaumes des Jugendzentrums Neubad. Eine junge Gruppe von Nutzer*innen, angeführt von Sabrina Tschachtli, die später jahrelang eine tragende Kraft beim Pärkli Jam war, rief das Festival ins Leben. Im Wesentlichen ist das Festival heute noch ähnlich organisiert, nur in deutlich grösserem Massstab – und seit 2010 findet das Pärkli Jam im St. Johanns-Park statt. Jährlich zieht das Festival bis zu 15’000 Menschen an. Die Crew besteht aus Dutzenden kulturbegeisterten jungen Menschen unter 25 Jahren, die vom Team des Badhuesli – Jugend & Kultur und ehemaligen ressortverantwortlichen Pärkli Jamer*innen gecoacht werden. An einem Wochenende, dieses Jahr vom 21. bis zum 23. Juni, treten über 70 junge Musik- und Tanzformationen auf, die meisten aus der Region. Zusätzlich gibt es Angebote für Kinder, kreative Aktivitäten sowie Speisen und Getränke. Inzwischen hat sich das Pärkli Jam zu einem echten, mit zahlreichen Organisationen und Stiftungen vernetzten Quartierfest für das Santihans entwickelt, das ein Publikum aus der ganzen Stadt anzieht und begeistert.
Den Weg tanzen
Wir beginnen diese Vorschau mit dem grossen Finale des 20. Pärkli Jam. Warum? Weil es schlicht fantastisch ist. Islam Seddiki vom Badhuesli-Team, er ist gelernter Veranstaltungskaufmann und betreut im Haus unter anderem das Ressort Jugendkultur, hat ein Tanzhappening initiiert, das den Namen «weg Tanzen!» trägt. Auf der grossen Bühne des Festivals wird es am Sonntag aufgeführt. Das junge Ensemble besteht aus Jugendlichen, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten und nun in der Schweiz in Heimen leben. Seddiki: «Die jungen Tanzenden werden von Profis mit Erfahrungen in Choreographie, Theater, Jugendarbeit und Pädagogik unterstützt. Sie werden ihre persönlichen Flucht- und Kriegserfahrungen auf zwei Ebenen performen, Tanz und Sprachaufnahmen werden zu einer Einheit zusammenfliessen. Die Performance wird dem Publikum einen tiefen Einblick in die Gefühlswelten dieser jungen Menschen vermitteln.» Die meisten Leute in unserem Land betrachten die Krisen und Kriege dieser Welt ja aus einer Perspektive, die ihnen Medien und Internet bieten. Doch die persönliche Sicht der Jugendlichen, die aus ihrer geliebten Heimat flüchten mussten – möglicherweise für immer –, die Krieg, Ausgrenzung, Flucht erlebten, wird dabei sehr selten ins Zentrum gestellt, «weg Tanzen!» bringt diese Komponente nun eindringlich ins Spiel. Islam Seddiki musste mit seiner Familie als kleines Kind aus Algerien nach Deutschland fliehen, wo er zunächst mit massiver Diskriminierung und Ausgrenzung konfrontiert wurde. Deshalb ist «weg Tanzen!» für ihn natürlich ein Herzensprojekt. Er hat schon mehrere Tanzprojekte mit jungen Geflüchteten organisiert, doch dieses Finale des Pärkli Jam ist bis jetzt die grösste Nummer, mit dem dichtesten Narrativ. Auf das Resultat sind wir sehr gespannt.
«Die Kunst soll für sich stehen»
Überhaupt darf man auf diese zwanzigste Ausgabe des Festivals gespannt sein. Shannon Hughes und Aaron Kurt haben das junge Veranstaltungsteam gecoacht, das für die Zusammenstellung des Konzertprogramms auf den beiden Bühnen verantwortlich ist. Shannon berichtet: «Um die 16 Konzert-Slots zu organisieren, musste sich das Team mit über 200 Bewerbungen befassen, sich die Musik anhören und darauf achten, dass ein guter Programmfluss entsteht. Vier der Bands haben wir selber angefragt. Die meisten der Acts kommen aus der Region Basel. Wir haben dabei Faktoren wie Diversität, eine breite stilistische Mischung, die allen Altersgruppen und Kulturen im Publikum gerecht wird, und natürlich Qualität im Auge.» Doch von diesen internen Diskussionen und Entscheidungen des Veranstaltungsteams soll das Publikum nichts merken. Shannon: «Die Kunst soll für sich stehen und sprechen, das ist unser Ziel.»
Fest der Jugendkulturen
Roman Hueber, Leiter des Badhuesli, erklärt: «Das Pärkli Jam ist heute ein Begegnungsort für Generationen und Kulturen – sowie ein Sprungbrett für junge Musikschaffende, Tanzende und Veranstaltungstalente. Das Badhuesli ist ein Angebot, in dem immer wieder junge Künstler*innen und Veranstalter*innen Anlässe durchführen, diesbezüglich sind wir also direkt an der Quelle. Eine weitere wichtige Komponente ist die Vernetzungsarbeit, von Anfang an haben wir uns mit lokalen Partnerorganisationen und -institutionen zusammengetan. Der Spiilruum, die Mobile Jugendarbeit und die Robi Spielaktion sind schon lange an Bord. Gerade in den Bereichen Gastro und Kinderangebote sind solche Verbindungen unverzichtbar. Und natürlich pflegen wir auch beste Beziehungen zu allen involvierten Behörden, von der Stadtgärtnerei bis zur Jugendpräventionspolizei, vom Musiklehrer der Sekundarschule Vogesen bis zur Stadtreinigung. Das Badhuesli ist sozusagen die Drehscheibe dieses Festivals, das ein eigentliches Fest der Jugendkulturen für die ganze Familie geworden ist.» Und so erwartet uns vom 21. bis zum 23. Juni 2024 ein Geburtstags-Pärkli Jam der Sonderklasse, ein gut geschnürtes Päckli mit drei Bühnen. Musikalisch dürfen wir uns auf eine weite Stilpalette freuen, vom Seventies-Rock bis zur HipHop Cypher, auch in Sachen Tanz kommen interessante Darbietungen auf uns zu, dazu gibt es eine Extraladung Spiel und Spass, Speis und Trank für alle.
Zum Ausklang des Aprils hat im PurplePark ein grosses Fest stattgefunden. Am Freitag und am Samstag vor dem Monatswechsel präsentierte das Jugendzentrum einen schönen Reigen aller Aktivitäten, die hier stattfinden. Erstaunliche Vielfalt konnte bestaunt werden. Das «INJUGI»-Fest hatte einen durchaus ernsthaften Hintergrund, es war Teil der Fundraising-Massnahmen für den Umbau der Skate-Anlage, die den zweistöckigen Barackenbau neben dem Südkopf des Bahnhofs SBB umgibt. Die Eingangszone des Jugendtreffs soll ein neues Gesicht erhalten, ergänzt mit kleinen Erweiterungen im aktuellen Park. Sabrina Fleury, Leiterin des PurplePark erklärt: «Dieses Fest haben wir mit den Jugendlichen zusammen organisiert. Alles ist In-House, aus ihren Ideen und ihrem Engagement entstanden. Darauf sind wir stolz, egal, ob es ein finanzieller Erfolg wird oder nicht.»
Mit eingebauten Tricks
Samstagnachmittag, die Sonne scheint, am ersten Festabend war es eher ruhig, denn es hat geregnet, immerhin gab es Live-Musik im grossen Raum, produziert von Jugendlichen, die im PurplePark verkehren. Aber nun herrscht im und ums Jugendzentrum Betrieb. Die Skateboard-Szene ist natürlich da. Die Leute mit den schnellen Brettern wärmen sich für einen Wettbewerb auf, eine recht komplexe Angelegenheit, jemand skatet über den Vorplatz und gibt einen Trick vor. Die Teilnehmenden versuchen dann diesen Trick möglichst exakt zu kopieren. Über ein Ausscheidungsverfahren, kämpfen sich die Teilnehmenden bis in die letzte Runde. Dieser Contest ist keineswegs eine einfache Angelegenheit – und Fehlversuche können schmerzhaft sein. Doch erfahrene Skatende können mit Schmerz umgehen und Risiken einschätzen. Für Leute, die mit dem Skaten anfangen wollen, werden am Fest Schnupperkurse angeboten, unter dem Namen: Open Skate School. Einzige Bedingung: «Bring einen Helm mit».
«Das Flavour» in the house
Kaum ist das sogenannte «Game of Skate» zu Ende kommen Jugendliche angetanzt, einen tragbaren Tanzboden auf den Schultern, ruckzuck ist dieser mit etwas Gaffa-Tape auf dem Boden festgeklebt, genau dort, wo zuvor die Skatenden fuhren. Die Tanzcrew «das Flavour» aus Basel ist im Jugendzentrum PurplePark sehr aktiv und fördert die Tanzkultur insbesondere durch Kurse und Events. So wollten sie an besagtem Samstag die Gelegenheit nutzen einen weiteren Teil der Hip-Hop Kultur zu zeigen.
Der Tisch mit Mischpult und Mikrofon wird kurzerhand durch das Fenster nach draussen gehievt, die Boxen schmettern Beats und das freundschaftliche Dance-Battle kann beginnen, wo Anfänger*innen bis zu erfahrenen Tanzenden, ihre Moves zeigen und die Zuschauenden inkl. Flixbusreisende begeistern.
«Art With Us» und MUSE GRAFFITI
Gleich nebenan hat sich das Team des Open Graffiti-Workshops installiert. Vor einer seitlichen Wand, die extra für das Fest heruntergeputzt wurde. Hier konnten Festbesuchende sich im Entwerfen und Anbringen von Graffiti versuchen, unter fachkundiger Anleitung der Kollektive «Art With Us» und «Muse Graffiti», die im PurplePark regelmässig mit Workshops zu Gast sind. Die Bar des Jugendzentrums war mit Getränken und Snacks ausgerüstet, in den oberen Stöcken gab es einen Flohmarkt, T-Shirts und Jacken konnten mit Siebdrucken verziert werden. Daniel, der am Vorabend ein Konzert im grossen Raum geben konnte, mit selbstgemachtem Deutsch-Rap, hat sich das PurplePark-Logo auf die helle Jeansjacke drucken lassen, das sieht gut aus. Nebenan können Buttons, also Anstecker, mit eigenem Design gepresst werden. Das Tonstudio des Hauses war am Fest geöffnet, ein Flohmarkt lockte mit allerlei Krimskrams und Fundstücken, und am Abend gab es einen Sunset-Rave zum Abtanzen. Zwei Tage volle Ladung Jugi also, Sabrina, Manuel, Natalie, Lea und Sorab vom Team behielten den Überblick und leisteten auf allen Ebenen Einsätze, wo immer es halt nötig war. Chapeau.
Neues grünes Gesicht
Nun aber zum ernsten Hintergrund der ganzen Geschichte. Die Eingangszone des Jugendtreffs soll ein neues Gesicht erhalten. Die Skateanlage bleibt natürlich erhalten, aber sie erhält einen grünen Gürtel – und es soll mit interessanten Materialien gearbeitet werden. Für die Planung der Umgestaltung hat Sabrina den Architekten Martin Zbinden an Bord geholt. Er ist quasi im Haus aufgewachsen, ein passionierter Skater. Bereits seit 15 Jahren bringt er seine Fähigkeiten in den Bau und Ausbau der Skateanlage ein, vieles davon hat er in Eigeninitiative gemacht. Martin erzählt: «Die Eingangssituation des PurplePark soll neu organisiert werden. Sie ist sowohl für die Skatende als auch für die anderen Besuchenden unbefriedigend. Die Minirampe, die heute dort steht, kommt weg, denn sie ist nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Und Leute, die mit dem Skaten anfangen, sind bei der momentanen Situation verloren.»
«Pionierprojekt»
Grosse massive Blumentöpfe, die Sabrina als Spende von einer Baustelle erhalten hat, werden für das neue Grün auf der Anlage sorgen. Zudem sollen alternative Materialien verwendet werden, Sabrina: «Das macht diese Umgestaltung zu einem echten Pionierprojekt.» Martin: «Ich interessiere mich seit einiger Zeit für Beton-Alternativen, wenn es um den Bau von Skate-Elementen geht. Natürlich ist Beton ein gutes, sehr praktisches Material, aber es ist halt auch ein Klimaproblem damit verbunden. Deshalb werden wir beim Bau der neuen Elemente auf dem Platz Natursteine verwenden. Das wurde schon an verschiedenen Orten gemacht, etwa in Barcelona.» Dieser Umbau wird nicht billig. Momentan sind Sabrina und die Geschäftsleitung von JuAr Basel daran, alle Hebel für eine Finanzierung in Bewegung zu setzen.
Es war ein regnerischer Mittwochmorgen im April. Die JuAr Basel-Leute mussten sich im Entre des Hauses der Katholischen Universitätsgemeinde an der Herbertsgasse zunächst mal das Wasser von Jacken, Velo-Ponchos und Schirmen schütteln, bevor sie wirklich angekommen waren. Angekommen, um einen halben Tag lang an einer Strategie-Retraite teilzunehmen und aktiv mitzuwirken. Für Speis, Trank und Zwischenverpflegung war gesorgt. Im ersten Stock des Gebäudes gab es nebst dem grossen Saal, in dem sich das Plenum versammelte, auch kleinere Räume, die sich für Gruppenarbeiten und Diskussionen eignen.
Ausblick und Rückblick
Dieser Arbeitsmorgen war ein ganz besonderer, an dem fast alle unserer Mitarbeitenden teilgenommen und engagiert partizipiert haben. Schliesslich stand ein Thema im Zentrum, das sie alle betrifft: die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung unserer Organisation – und die Auswirkungen der strategischen Arbeit auf den Alltag bei JuAr Basel. Titel der Veranstaltung: «Eine Strategie von uns für uns, Rückblick und Ausblick». Partizipative Prozess- und Strategiearbeit unter Einbezug von Mitarbeitenden, Geschäftsleitenden und Vorstandsleuten hat in unserer Organisation inzwischen eine lange Tradition. Vor etwa 18 Jahren haben wir mit einem Gender-Prozess angefangen, danach haben wir einen Organisationsentwicklungsprozess gemacht, der für uns eine neue Arbeitsebene geschaffen hat. Das Modell war von Anfang an folgendermassen: Arbeitsgruppen, zusammengestellt aus allen Bereichen unserer Organisation, befassen sich vertieft mit den Strategiethemen, von sorgfältig ausgesuchten Profis begleitet, informieren regelmässig über Erkenntnisse und Entscheidungen. Immer gehörten an bestimmten Terminen Plenumsveranstaltungen zum Programm.
Stimmiger Spannungsbogen
Jener Temin am regnerischen Mittwochmorgen markierte den Abschluss der Strategie-Periode 2019 – 2023. Bei dieser strategischen Arbeit hat uns die «advocacy AG» begleitet, mit der wir schon früher gute Erfahrungen gemacht hatten. Dominik Büchel und Petra Hieber, die beide für diese wissensgetriebenen Kommunikations- und Strategieagentur arbeiten, haben uns durch den Prozess geführt – und natürlich auch durch die Plenumsveranstaltung. Sie sorgten für einen fliessenden Ablauf, einen stimmigen Spannungsbogen, einen Wechsel aus Gruppenarbeiten und Versammlungen im grossen Saal. Die beiden Profis schafften es, die grosse Versammlung zu motivieren und zu aktivieren. Die acht Gruppen waren schon im Vorfeld zusammengestellt worden, um eine möglichst gute Durchmischung zu schaffen. Die Erkenntnisse, die dann im grossen Kreis präsentiert wurden, waren alle relevant, verständlich, praxisnah. Eine – zufällig bestimmte – «Nostradamus-Gruppe» beobachtete und reflektierte die Gruppenarbeiten mit dem Blick in die Zukunft.
Engagiert und Differenziert
Über die Praxis und die Strukturen dahinter wurde während der Gruppenarbeiten intensiv diskutiert. Fragen wie «wo und wie habt ihr im Alltag die Strategie konkret gespürt und erlebt?», «wie hat sich die Strategie auf die Steuerung und Entwicklung der Organisation ausgewirkt?» und «wie sollen die Mitarbeitenden in die Erarbeitung der neuen Strategie miteinbezogen werden?» befeuerten die Diskussionen. Es war beeindruckend, wie engagiert und differenziert sich die Diskussionen gestalteten. Hier wurde der richtige Ton getroffen. Immer wieder erhoben die Themen Personalmangel, Angebote, die überrannt werden, und Ressourcenmangel ihr Haupt. Auf der positiven Seite wurden die gute Kultur in unserer Organisation, die Gestaltungsfreiheiten der Mitarbeitenden und die grosse Flexibilität betont, die es erlaubt, auf neue Jugend-Trends und -Themen schnell zu reagieren. Grosse Hoffnung wird in die Regierung und den Grossen Rat unserer Stadt gesetzt, weil nun ein Prozess im Gang ist, der unserer Offenen Jugendarbeit dringend benötigte Mittel bringen kann.
Flexibel bleiben
Der Morgen hat gezeigt, dass JuAr Basel auf einem guten Weg ist. Wenn wir es weiterhin schaffen, flexibel zu bleiben, unser grosses Beziehungsnetz zu pflegen, die richtigen Leute an den richtigen Orten zum Einsatz zu bringen, eine flüssige, unkomplizierte Zusammenarbeit zu erhalten, bei der die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Zentrum stehen, die ihrerseits auf die Bedürfnisse der Jugendlichen reagieren, dann bleibt das auch so. Am Ende der Retraite herrschte eine gelöste Stimmung. Bei Kaffee, Sandwiches und Gipfeli wurde weiter diskutiert. Und der Regen hatte nachgelassen.
JuAr Basel ist auch ein Lernort für die Praxis der Offenen Jugendarbeit, das ist uns wichtig, darauf sind wir stolz. Im Januar dieses Jahres hat Mesut Bulut, er arbeitet im Team des Jugendzentrums Lava Birsfelden, das Pensum als Beauftragter für Praxisausbildung bei JuAr Basel übernommen. Dies ist eine ganz wichtige Aufgabe, welche die fachliche Betreuung der Praktikant*innen gewährleistet, auf deren Anliegen eingeht und die jungen Leute, die in verschiedenen Angeboten von JuAr Basel arbeiten, vernetzt und den Austausch unter ihnen fördert.
Ohne lange zu zögern
Mesut Bulut berichtet: «Ich bin mich noch am Einfuchsen, als mir dieses Pensum angeboten wurde, habe ich ohne lange zu zögern zugesagt. Interessant sind für mich an dieser Arbeit auch die Einblicke in andere Jugendzentren von JuAr Basel. Das bringt mir auch Inspirationen für meine Arbeit im Lava. Mein zentrales Anliegen ist es, den jungen Leuten, die sich für eine Ausbildung in unserem Berufsfeld entschieden haben, etwas mitzugeben, sie zu begleiten und zu betreuen». Am Donnerstag arbeitet Mesut auf unserer Geschäftsstelle, dann stehen Sitzungen und Gespräche mit den Auszubildenden sowie mit Co-Geschäftsleiterin Elsbeth Meier auf dem Programm, die in dieser Sache seine direkte Vorgesetzte ist.
Hobbies produktiv einsetzen
Die ersten Themen, die Mesuts begegnet sind – und ihm wohl immer wieder begegnen werden –, waren folgende: Der Umgang mit Nähe und Distanz im Jugendzentrumsbetrieb, die Ermutigung der Auszubildenden, ihre Hobbies in ihrer Arbeit einzubringen, das grosse Interesse der Praktikant*innen sich gegenseitig auszutauschen. Unsere Leute in Ausbildungen seien ja vom Alter her, so Mesut, nicht so weit von den Nutzenden der Jugendzentren entfernt: «Die sind vielleicht 19 bis Mitte 20 Jahre alt, ihre Arbeit findet in der Freizeit der Jugendlichen statt, dabei ist das Thema Nähe und Distanz zu den Besuchenden eine dauernde Herausforderung, unsere Arbeit ist nie Routine. Sie hat eine starke emotionale Komponente, die man aushalten, mit der man umgehen muss. Das kann man nicht vom ersten Tag an, das ist ein Lernprozess. Ich interessiere mich sehr dafür, wer die Leute sind, die bei uns eine Praxisausbildung machen, für ihre Ansichten, ihre Hobbies. Denn Hobbies können in der Offenen Jugendarbeit ganz wichtig sein, wenn du tanzt, Musik machst, sprayst, zeichnest, malst oder eine Sportart gut beherrschst, dann kannst du das enorm produktiv im Job einsetzen. Aber dazu muss man Praktis zunächst einmal ermutigen.»
«Wir brauchen eine zentrale Stelle»
Froh ist Mesut darüber, dass er von JuAr Basel Vizepräsidentin Waldi Waibel, der pensionierten Grande Dame der Basler Jugendarbeit, und von Elsbeth Meier begleitet wird. Die beiden Frauen würden ihm sehr wertvolle Anregungen für die regelmässigen Gespräche mit den Auszubildenden geben, hinter welchen enorme Erfahrung stecke. Elsbeth Meier: «JuAr ist eine grosse Ausbildungsinstitution, über 15 Jahren war ich im Praxisbeirat der Fachhochschule Nordwestschweiz Soziale Arbeit. Auch dort konnte ich immer wieder feststellen, dass JuAr Basel ein grosser Player in der Ausbildung Offene Jugendarbeit ist. Wir leisten – im Rahmen unseres Budgets, wir bekommen für diese Arbeit keine speziellen staatlichen Mittel – einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung neuer Fachpersonen in unserem Berufsfeld. Wir sind in dieser Hinsicht sehr professionell geworden. Deshalb brauchen wir eine zentrale koordinierende Stelle, die sich mit dem Thema befasst, auch als Ansprechpartnerin für alle Involvierten, für Schulen und so weiter. Immer wieder entstehen auch Praxisprojekte, welche die Studierenden einbringen. Durch die gute jahrelange Kooperation mit den Fachhochschulen werden auch regelmässig Masterprojekte bei uns durchgeführt. Die beiden letzten waren aus den Themenbereichen Digitale Jugendarbeit und Gendersensible Jugendarbeit. Damit leisten wir einen grossen Beitrag an die Offene Jugendarbeit, von den Mitarbeitenden in Ausbildung bekommen wir aber auch viel zurück. Das ist auf jeden Fall eine Win-Win-Situation, gerade in einer Zeit, in der im Bereich Offener Jugendarbeit Fachkräftemangel herrscht. Wir leisten einen Beitrag an die Soziale Arbeit an sich, indem wir Berufsleute ausbilden.»
Gegen Radikalisierung im Internet – wo die Digitale Jugendarbeit jetzt (mit-)anpacken kann
Am Samstag 2. März 2024 stach in Zürich ein 15-jähriger muslimischer Jugendlicher einen jüdischen Mitbürger auf offener Strasse nieder. Gemäss der bisherigen Erkenntnislage fand die Radikalisierung im Internet statt. Die aktuellen Vorfälle verunsichern viele Jugendliche in Basel und rufen bereits die Politik auf den Plan. Was kann Digitale Jugendarbeit jetzt leisten? Eine Einordnung.
Eine Kolumne von Endrit Sadiku
Digitale Jugendarbeit ist ein Begriff, den die breite Öffentlichkeit momentan noch wenig wahrnimmt. Erste Anzeichen dafür, dass sich dies allmählich ändert, liefert die NZZ-Ausgabe vom 07. März 2024. Darin wurden erste Ansätze öffentlich diskutiert, wie Profis aus der Jugendarbeit durch langjährigen Beziehungsaufbau zu ihrer Klientel einen entscheidenden Vorteil in der Prävention erhalten. Als Beispiel dient eine Jugendgruppe im Kanton Zürich, die sich durch die Social Media religiös radikalisiert hat. Als Massnahme luden die Jugendarbeitenden einen Imam für eine offene Fragerunde mit der betreffenden Jugendgruppe ein, ein Schritt, der viel Beachtung erntete und die Wogen unter den Jugendlichen nach einigen Wochen glättete. Dieses Beispiel zeigt – als ein Teil der Digitalen Jugendarbeit – exemplarisch auf, wie ein Thema aus der digitalen Welt aufgegriffen und der Diskurs in die analoge Welt, dort wo eben Beziehungen greifen, transferiert werden kann.
Mit Videobeträgen Narrative gegen Radikalisierung entwickeln
Ein weiterer Ansatz ist die Verhinderung der Radikalisierung vor Ort – also dort wo sie entsteht, nämlich online. Die nationale PlattformJugend & Medien führte in den Jahren 2017 bis 2019 verschiedene Pilotprojekte durch und entwickelte Gegennarrative. Alternative Narrative dekonstruieren und diskreditieren extremistische Botschaften mit theologischen Argumenten und Humor. Sie identifizieren Fake News und regen den kritischen Verstand an. Jugendliche werden ermächtigt, Fragen zu stellen, Inhalte zu reflektieren und zu hinterfragen. Gegennarrative vermitteln positive Botschaften, beispielsweise wie man ein Thema positiv statt negativ anpackt. Gegennarrative vermitteln die positiven Werte des Zusammenlebens, der sozialen Integration und der demokratischen Rechtsordnung in der Schweiz.
Hoher Partizipationsgrad
Damit die Gegennarrative gelingen, braucht es einen hohen Partizipationsgrad und die Betroffenheit von Jugendlichen. Jugendliche produzieren etwas zusammen mit Fachpersonen Videobeiträge, welche ein wünschenswertes Zusammenleben in Basel thematisieren. Jugendliche wirken dabei am besten im Storytelling mit, in der Regie, vor und hinter der Kamera. Auch die Form der Videobeträge kann variieren: Von kurzen TikTok-Videos über einen Dokumentarfilm bis hin zum Kurzfilm ist alles möglich. Sie teilen die Videos per Social Media, wobei die Botschaften weitere Jugendliche erreichen. Auch die Zusammenarbeit mit bekannten Influencern kann hilfreich sein, um eine hohe Reichweite und Aufmerksamkeit zu erzielen.
Politik steht vor Entscheidung
Zurück nach Basel: Die zu Beginn erwähnten Geschehnisse sind in der Politik nicht unbemerkt geblieben. Am 21. März 2024 reichte ein Parlamentsmitglied im Basler Grossen Rat eine dringliche Anfrage an den Regierungsrat ein. In dieser Anfrage geht es um die Stärkung der Digitalen Jugendarbeit von JuAr Basel. JuAr Basel betreibt seit dem letztem Jahr eine kleine zentrale Stelle für Digitale Jugendarbeit, welche von einer Stiftung finanziert wird. Die Politik in Basel hat jetzt entschieden, von 2024 bis 2027 erhalten wir jährlich immerhin 15’000 Franken für die Digitale Jugendarbeit. Was klar ist: Digitale Jugendarbeit allein verhindert keine Radikalisierung und muss zwingend, als eine von verschiedenen Massnahmen innerhalb eines Bündels betrachtet werden.