Newsletter Frühling 2023 – Bei JuAr Basel die Ausbildung gemacht – und heute…?

JuAr Basel ist auch ein Ausbildungsort. Die solide und tiefgehende Praxiserfahrung, die unsere Organisation Praktikanten*innen, Studierenden, Lernenden ermöglichen kann, stösst schon seit langer Zeit auf rege Nachfrage. (Es ist vor diesem Hintergrund kein Wunder, dass Schulen und Hochschulen aus dem In- und Ausland unsere Betriebe gerne besichtigen und sich dabei unsere Organisation, deren Menschenbild und Methoden vorstellen lassen. Aber dies ist wieder eine andere Ebene). Die Liste der Leute, die bei der JuAr Basel/BFA eine Ausbildung absolviert haben, ist lang. Dieser Text ist Teil einer Serie, die unseren Newsletter für einige Zeit begleiten soll. Was machen Menschen, die bei uns ausgebildet wurden, heute?

Debora Di Bella

«Ich identifizierte mich total als Baslerin, doch mein Herz schlägt italienisch»

Debora sitzt auf einem der Bänkchen im paradiesischen Garten der Mission 21, die Frühlingssonne bescheint diese städtische Oase am frühen Nachmittag noch etwas vorsichtig, aber sie scheint. Debora ist im Rahmen dieser Serie ein bisschen ein Sonderfall: «Ich habe ja nicht die Ausbildung bei JuAr Basel gemacht, sondern ich habe an der HSLU in Luzern Soziale Arbeit studiert und gleichzeitig mit einem bezahlten Pensum in der Freizeithalle Dreirosen gearbeitet. Anders konnte ich mir die Ausbildung nicht finanzieren.» Doch Debby, wie sie bei JuAr Basel genannt wird, hat noch eine andere spezielle Geschichte mit unserer Organisation. Sie ist mit den Angeboten der BFA/JuAr Basel aufgewachsen. Zum Beispiel Marc Moresi, den Leiter der Freizeithalle Dreirosen, später ihr Chef, hat sie schon als Kind gekannt, auch die JuAr Basel-Vizepräsidentin Waltraud «Waldi» Waibel, eine Legende der Basler Jugendarbeit, gehört zum unvergesslichen Personal ihrer Biographie.

Mentalität der Hilfsbereitschaft

«Ich bin mit drei Geschwistern und einer alleinerziehenden Mutter in Kleinhüningen aufgewachsen. Ich habe eine Zwillingsschwester, die jetzt auch bei JuAr Basel arbeitet, und zwei ältere Geschwister. Meine Mutter war eine Seconda, mein Vater ist selber aus Sizilien in die Schweiz ausgewandert. Ich habe schon als Kind realisiert, dass es in unserer Nachbarschaft Familien gibt, die zuhause viele Probleme haben, ich war schon damals auf soziale Verhältnisse sensibilisiert.» Wo es Probleme gebe, das habe sie dann bereits als Teenager gedacht, müsse geholfen werden: «Diese Einstellung, diese Mentalität der Hilfsbereitschaft und auch das Bewusstsein, dass man eine gute Ausbildung braucht, habe ich von meinen Grosseltern übernommen. Ich bin stolz darauf, eine akademische Ausbildung gemacht zu haben. Ich identifiziere mich total als Baslerin und mit dem Kleinbasel, doch mein Herz schlägt italienisch.»

Als kleines Mädchen im Barracuda

Es waren ihre älteren Geschwister, die Debora ins Jugendzentrum Barracuda, Kleinhüningen, mitgenommen haben. Sie war eigentlich zu jung für das Angebot: «Unsere älteren Geschwister mussten auf uns aufpassen, hätten sie uns nicht ins Jugendzentrum mitgenommen, hätten sie selber nicht hingehen können. Waldi war das bewusst, deshalb hat sie uns gerne geduldet. Als ich Marc Moresi kennengelernt habe, war er Zivildienstleistender im Jugi und ich war ein kleines Mädchen. So etwas prägt eine Beziehung natürlich.» Deboras Interesse gilt aber nicht nur der Sozialarbeit, sie ist auch Tanzlehrerin, auf HipHop spezialisiert. «Eins sag ich Dir», erklärt Debby, «als Tanzlehrerin bist du immer auch ein bisschen Sozialarbeiterin. Erst recht, wenn Du mit Jugendlichen arbeitest.»

Inhaltlich ergänzt

2006 wurden die JuAr Basel-Angebote im Kopf der Dreirosenbrücke eröffnet, das Jugendzentrum, das Riibistro, die Freizeithalle, das Beschäftigungsprogramm. Debby hat das alles miterlebt, als Girl from 4057 Kleinhüningen war sie natürlich von Anfang an dabei. Sie hat in diesen Räumen Tanz unterrichtet, hat während dem Studium in der Freizeithalle gearbeitet, hat als Betreuerin im Beschäftigungsprogramm gewirkt, wurde schliesslich stellvertretende Leiterin des Angebots – zudem hat sie als Mitarbeiterin die Tagesstruktur Dreirosen von JuAr Basel mit aufgebaut. Debby erzählt: «Es ist lustig, die Leute aus der Nachbarschaft, die mich ja alle kannten, haben immer gemeint, dass ich im Jugendzentrum arbeite. Für einen grossen Teil des Publikums sind die Angebote im Brückenkopf in der Wahrnehmung einfach ‘das Jugi’. Natürlich haben sich meine Ausbildung und mein Job bei JuAr Basel thematisch und inhaltlich ergänzt. Essenziell ist es um die gleichen Themen gegangen. Trotzdem, stelle ich mir vor, wäre eine berufsbegleitende Ausbildung, die ich mir halt nicht leisten konnte, wohl vertiefter gewesen. Was ich vermisste war ein grösseres sozialarbeiterisches Team, mit dem ich die Themen, die mich im Studium der Sozialen Arbeit jeweils beschäftigten, hätte reflektieren können. Die Sitzungen drehten sich um andere Themen, die Freizeithalle und das Beschäftigungsprogramm haben ja auch einen komplexen Alltag.»

Neue Stelle

Nach dem Abschluss als Coach hat sie dann noch einige Zeit zu 60 Prozent im Team der Freizeithalle mitgearbeitet, hat die jungen Leute betreut, die hier im Beschäftigungsprogramm arbeiten, im Rahmen einer niederschwelligen Integrationsmassnahme. Da hatte sie es mit vielen unterschiedlichen Schicksalen, Problemfeldern, psychosozialen Knacknüssen zu tun – und natürlich auch mit den Ansprüchen diverser staatlicher und privatwirtschaftlicher Vernetzungspartner. Sie pflegte in dieser Zeit auch immer wieder Kontakt zur Jugendberatung von JuAr Basel. Und dann kam der Moment: Debby wollte eine neue Stelle. Alsbald hatte sie mehrere Angebote auf dem Tisch, darunter eines von JuAr Basel. Entschieden hat sie sich aber für Overall, die Genossenschaft für integriertes Arbeiten, deren ehemaliger Leiter, Thomas Ineichen, ja bis 2012 Präsident der BFA/JuAr Basel war. Unsere beiden Organisationen haben auch immer wieder partnerschaftlich zusammengearbeitet.

Andere Luft

Debby erzählt: «Nach all den Jahren bei JuAr Basel musste ich einfach mal andere Luft schnuppern, musste weg von den Beziehungen, die mich schon seit meiner Kindheit begleiten, etwas anderes sehen. Ich liebe das Dreirosen und die Leute, die dort arbeiten, immer noch. Aber ich bin froh, dass ich momentan ein anderes Arbeitsfeld habe.» Und dieses befindet sich eben an der Missionsstrasse, die Büros von Overall liegen direkt an der städtischen Oase, in der dieser Text seinen Anfang genommen hat. Und hier hat sie ebenfalls eine alte Bekannte angetroffen. Christine Suter, die viele Jahre in unserer Jugendbearbeitung gearbeitet und das Angebot – als das Kompetenzzentrum, das es heute ist – mit aufgebaut hat. Nach einer beruflichen Zeit in Norddeutschland ist sie nach Basel zurückgekehrt, setzt ihr enormes Wissen und Können bei Overall ein. Und zwar ausgerechnet in der Abteilung, die von Debora Di Bella als Top Coach geleitet wird.

Fähigkeitsabklärungen, Aufbautraining, Vermittlungen

Das Team heisst JobStart, es beschäftigt sich mit dem Berufseinstieg von jungen Menschen. Es geht darum, sie fit fürs Berufsleben zu machen, egal welche Hürden das Schicksal ihnen mit auf den Lebensweg gegeben hat. In diesem Bereich arbeitet das Team eng mit der IV zusammen. Zudem bildet Debora ab diesem Jahr Studierende der Sozialen Arbeit aus.

Debby erzählt: «Es ist lustig, das erste Studium meiner Wahl war ja damals Psychologie. Ich habe dann aber bald realisiert, dass man in diesem Metier zumeist in der zweiten Reihe steht, wenn es um die Bewältigung von Problemen geht. Deshalb habe ich mich für die Soziale Arbeit entschieden. Hier arbeiten wir handfest und direkt mit Menschen, die Hilfe brauchen. Wir integrieren hier junge Leute in die Berufswelt, viele von ihnen haben Handicaps. Trotzdem muss der Anspruch sein, dass sie bei der Arbeit normal funktionieren. Das kann sehr schwer sein. Stell dir vor, dass du bei allem, was du im Leben machst ein fünfzig Kilo-Zusatzgepäck mit dir tragen musst – so geht es vielen dieser Leute. Uns geht es darum, das auszugleichen. Wir machen Fähigkeitsabklärungen, Aufbautraining, Vermittlungen, intern und extern, haben ein Netz von Therapeut*innen an der Hand, stehen mit Lehrbetrieben und Hilfsangeboten stets im direkten Kontakt. In unserer Klientel gibt es Menschen mit Panikattacken, Depressionen, körperlichen Behinderungen, momentan betreuen wir auch eine Transgender-Person. Die Problemstellungen sind vielfältig, unser Beruf auch. Mir wird jedenfalls nie langweilig. Ich weiss nicht, ob ich das für immer in einem hundert Prozent-Pensum machen werde, zumal ich nun seit einem Jahr Mutter bin. Vielleicht kehre ich ja eines Tages zur JuAr Basel zurück. (lacht)» Willkommen wäre sie.

_________________________________________________________________________________________