Newsletter Sommer 21
Jugendarbeit Basel
in ihrer ganzen Vielfalt

Liebe Leserinnen
Liebe Leser
Liebe Freundinnen und Freunde von JuAr Basel
Liebe Alle
Die Zeit vergeht schnell, allzu schnell, schon stehen die grossen Sommerferien wieder vor der Tür, die Angebote von JuAr Basel sind noch immer geprägt von langen Lockdown-Phasen, die sie nun, ganz oder teilweise, hinter sich haben. Eine neue Freiheit ist da, aber – und so geht es uns doch irgendwie allen – sie fühlt sich noch nicht wirklich tragfähig an.
Die Themen unseres Sommer-Newsletters stehen auch im Zeichen dieses Gefühls.
– Allerlei digitale Projekte waren während der Lockdown-Zeit angesagt, einige von ihnen werden gewiss überdauern – etwa der #Jugendlivetalk, der von den Teams der Jugendzentren Chillout und Dreirosen erfunden und durchgezogen wurde. Junge Redaktionsteam machen mit Jugendarbeitenden zusammen Internet-Fernsehen, bereiten dabei Themen auf, die sie beschäftigen und verbreiten die Talk Shows dann auf Instagram. Sogar das Schweizer Fernsehen hat darüber berichtet – und ein Regierungsrat war zu Gast. Inzwischen sind 16 Folgen erschienen.
– Das «Badhuesli Jugend und Kultur» hat – angeregt von einem dynamischen jungen Rapper – seine erste Veranstaltung nach dem Lockdown durchgeführt: Über 70 Rapper*innen sind an der «Basel Cypher» im Haus gefilmt worden, hintereinander, unter strengen Sicherheitsmassnahmen, darunter Newcomer und Schwergewichte. Die ganze Kiste wurde auf dem Internet live übertragen. Eine Super-Leistung.
– Das Mädona, unser Treff für Mädchen und junge Frauen, wird heuer 20 Jahre alt. Deshalb haben wir Monika Walti, Leitern des Gründungsteams, gebeten, uns einen Bericht über die Anfänge zu schreiben. Eine spannende Story. Danke Mo!
– Die Büros von JuAr Basel im Bürgerlichen Waisenhaus werden zurzeit umgebaut, unser Geschäftsführer Albrecht Schönbucher hat einen kurzen Bericht darüber verfasst.
– Und wir gratulieren Roman Hueber, dem Leiter des Badhuesli, zu seinem 20 Jahre-Jubiläum bei JuAr Basel.
Nun bleibt mir, Ihnen einen wunderbaren Sommer zu wünschen – und natürlich viel Vergnügen mit diesem Newsletter.
Herzliche Grüsse
One Love
Christian Platz, Präsident JuAr Basel
Vorwort Sommer-Newsletter JuAr Basel 06/2021

Noch fühlt sich die neue Freiheit fragil an
Von Christian Platz, Präsident JuAr Basel
Natürlich haben die Kinder und Jugendlichen während den Lockdown-Phasen vieles vermisst, genauso wie wir Erwachsenen auch. Doch wenn man jung ist, vergeht die Zeit anders, deutlich langsamer. Vor allem, wenn sich das lange Warten breit macht, dann dehnen sich die Stunden, Tage, Wochen – und schon tritt die Langeweile auf den Plan, die Gedanken bewegen sich in Schlaufen, der Unmut wächst. Jugend will vorwärts gehen, dieser Drang ist universell, der Lockdown hat genau dies verunmöglicht. Und es gab nur wenige Ventile für den Frust, viele davon waren halt im digitalen Raum angesiedelt, der ja während dem Lockdown Fluch und Segen zugleich bedeutete. Segen, weil er Arbeitsflächen bietet, die etwa Home-Office und Heimschulung ermöglichen, Fluch, weil er zum Abgrund werden kann, zu einer ultra-niederschwelligen – letztlich gewissenlosen und kalten – Unterhaltungsmaschine, die Zeit frisst, Aufmerksamkeit fesselt und immer wieder neue Reize bietet, bis viele nicht mehr abschalten können. Da leidet die Konzentrationsfähigkeit und die konstruierten Narrative aus der Computerwelt drohen manchmal, die Wahrnehmung der Realität zu übersteuern.
Auch die Offene Jugendarbeit musste den digitalen Raum natürlich nutzen, um Kontakte aufrecht zu erhalten, Projekte anzureissen, Diskussionen zu fördern, Hilfe zu leisten, zu beraten. Aber auch um wichtige Themen, die beim Internet-Konsum der Jugendlichen sonst nicht im Zentrum stehen, im digitalen Theater unserer Zeit so aufzubereiten, dass sie interessant sind für die Zielgruppe, oft waren diese Projekte gemeinsam mit Jugendlichen konzipiert. Das Modell Offene Jugendarbeit funktioniert im virtuellen Raum schon, sogar mit partizipativen und jugendkulturellen Elementen garniert, aber das hat seine Grenzen. Und diese haben die Lockdown-Massnahmen hart aufgezeigt. Gerade in Basel-Stadt, wo die Angebote der Offenen Jugendarbeit um einiges länger geschlossen bleiben mussten als in anderen Kantonen.
Die Jugendarbeitenden unserer Zeit wissen um die Verlockungen und um die Gefahren der digitalen Zone, sie wissen um die essenzielle Wichtigkeit realer Erfahrungen und Erlebnisse, um die Notwendigkeit eines (zumindest) Gleichgewichts zwischen realer und virtueller Welt. Gleichzeitig können sich viele von ihnen zum Glück selber stabil im virtuellen Raum bewegen, denn nur so sind sie dazu in der Lage, den Jugendlichen auch dort mit Rat und Tat, bei spassigen Angelegenheiten und bei Problemen, beiseite stehen. Nun sind die Angebote von JuAr Basel grösstenteils wieder geöffnet, viele Aktivitäten können wieder stattfinden. Doch fühlt sich diese neue Freiheit noch fragil an, einige Jugendhäuser erleben Grossandrang, andere eher eine Flaute. Warum das so ist, wissen wir noch nicht genau, aber die Situation kann sich schnell wieder ändern oder verschieben. Hoffen wir zumindest, dass die Sommerferienzeit uns alle ein bisschen aus dem digitalen Nimmerland reisst – hinein in den Strom des Lebens.
#Jugendlivetalk:
Internet-Talk-Show aus unseren Kleinbasler Jugendzentren

Mit Jugendlichen zusammen Themen aufbereiten, die sie interessieren, gemeinsam eine Talk-Sendung produzieren, die dann auf Instagram live veröffentlich wird, von anderen Jugendlichen stark beachtet: dieses Format wurde im Winter 2020 in unserem jüngsten Jugendzentrum Chillout (seit August 2020) erfunden – und es hat eingeschlagen…
Von Christian Platz, Präsident JuAr Basel
Jene unregulierte digitale Zone
Die digitale Welt, bewegte Bilder, Fotos, Ton, Text, Spiele, ein Medienlabyrinth, das in jeder Hosentasche Platz findet, ein Handy, ein Tablet, ein Laptop öffnen den Zugang zu einem unendlichen Datenkosmos, unreguliert, unmoderiert, beinahe unkontrollierbar. Die höchsten Kulturleistungen der Menschheit sind im Internet selbstverständlich verfügbar, aber auch der grösste Medienmüll, der je produziert wurde – und alles dazwischen. Der Jugendschutz, der in der realen Welt durchgesetzt wird, erlischt heute in einer digitalen Zone, die wir einfach so haben wachsen und wuchern lassen, ohne sie mit jenen Regulativen zu versehen, welche eigentlich die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens bilden. Eine Welt in der Welt ist da entstanden, jedem Kind zugänglich, das ein Handy bedienen kann, eine mediale Spiegelwelt, die sich auf eine Art und Weise in unsere Realität einzumischen beginnt, wie wir das vorher noch nie erlebt haben. Im Grunde ist der Umgang mit diesem Phänomen – vor allem seit sich das Smartphone als Hauptobjekt unseres Alltags etabliert hat, also seit etwas mehr als zehn Jahren – eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit.
Auf jeden Fall stellt die digitale Welt unsere Jugendarbeit vor grosse Aufgaben. Gerade während der beiden Lockdowns haben Mitarbeitende von JuAr Basel in diesem Bereich viele innovative Projekte und Arbeitsmethoden entwickelt oder gefunden, einige davon haben wir in unseren Newslettern und Jahresberichten bereits beschrieben, der #Jugendlivetalk ist ein weiteres wunderbares Beispiel für Jugendarbeit mit digitalen Medien.
Pilot zum Thema Sexualität
Wie können wir trotz Lockdown Inhalte und Themen mit den Jugendlichen zusammen aufbereiten? Diese Frage hat Claudia Gunzenhauser, Leiterin des Chillout, mit einer guten Freundin diskutiert, der Sexualpädagogin Nadia Kohler. Hintergrund war der Umstand, dass Gesprächsangebote oder Quiz-Spiele für die Jugendlichen per Zoom und Social Media in ersten Versuchen nicht besonders erfolgreich waren. Dabei ist ihnen die Idee gekommen, zusammen mit kleinen Teams von Jugendlichen regelmässig eine Talk Show zu produzieren und auf dem Internet zu veröffentlichen. Claudia besprach die Idee mit ihrem Team. Endrit Sadiku, der sich ohnehin stark für Jugendarbeit in der digitalen Zone interessiert, und Praktikantin Kaja Werst waren sofort begeistert, auch die Leute vom Team des benachbarten und organisatorisch verbandelten Jugendzentrums Dreirosen waren alsbald mit an Bord. Als Basis für die Filme wählten sie die App Instagram-TV aus. Die Pilotsendung war dann ein Interview mit Nadia Kohler rund um das Thema Sexualität, das klappte gut. Also wurden weitere Gäste ins Visier genommen.
Plötzlich stand das Schweizer Fernsehen vor der Tür
«Wir haben Regierungsrat Lukas Engelberger eingeladen, um mit ihm über Corona-Massnahmen in der Jugendarbeit zu diskutieren», erzählt Claudia, «wir haben uns gefragt, ob er wirklich kommen würde, dann war er tatsächlich da – und wir waren begeistert. So produzierten und veröffentlichten wir weitere Ausgaben, die Jugendlichen haben sich die Talks angeschaut, haben kommentiert, diskutiert…» Und plötzlich, beim Auftritt von Lukas Engelberger, stand das Schweizer Fernsehen vor der Tür. Die Sendung Schweiz Aktuell brachte einen längeren Bericht über das Projekt, eine weitere Ermutigung. Inzwischen wurden bereits ganze 16 Ausgaben des #Jugendlivetalk gemacht. Natürlich war Musik dabei ein Thema, waren Rapper*innen zu Gast, auf der anderen Seite stellte sich die Jugend-Präventionspolizei den Fragen der jungen Redaktion, die Drogenberatung, psychische Gesundheit und Gender wurden beleuchtet, die Jugendberatung von JuAr Basel stellte sich vor – also ein schöner weiter Themenhorizont.
Vor geschlossenen Augen
Nun ist erst mal Sommerpause, Mitte August geht es weiter. Die Frage ist nun, auf welcher Plattform die Filme künftig verankert sein sollen – die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Instagram TV ist zwar eine taugliche App, die Jugendlichen senden permanent live damit, doch hat sie technische Limiten, über youtube wird nun diskutiert. Wir sind gespannt. Das Konzept bleibt auf jeden Fall bestehen, ein kleines Team von zwei oder drei Jugendlichen bereitet die Sendung mit einem Teammitglied zusammen vor, dann wird gedreht. Claudia: «Wir haben hier im unteren Kleinbasel glücklicherweise immer Jugendliche, die gerne mitmachen und wirklich interessiert sind.» Doch auf der anderen Seite sei die Sache mit dem Dauerkonsum all der – teilweise praktisch sinnfreien – Filmchen, die auf dem Handy laufen, wie die Jugendlichen ihn zurzeit betreiben, halt schon auch beängstigend. Claudia: «Die schauen sich reihenweise und unendlich diese ganz kurzen Filme auf der TikTok-App an, solange bis sie einschlafen». Die Teamleute haben die Jugendlichen schon gefragt, ob sie die Filme vor dem Einschlafen, mit geschlossenen Augen weiter sehen würden. Die Antwort war: Ja. Was das wohl für die Entwicklung dieser jungen Menschen bedeutet?
Domizil weiterhin dringend gesucht
Leider folgt auf diese nette Geschichte aus dem Jugendzentrum Chillout eine eher unerfreuliche Nachricht. Das Angebot muss Ende Juni aus seinem Domizil ausziehen, eine neue Bleibe in Kleinhüningen wird weiterhin dringend gesucht. Nach den Sommerferien wird das Chillout an einigen Wochentagen im Quartierzentrum Klÿck zu Gast sein, aber das ist dann halt auch nur ein weiteres Provisorium…
Basel Cypher:
Endlich wieder ein Grossevent im Badhuesli


Es ist eine typische JuAr Basel-Geschichte: ein junger Rapper bringt eine gute Idee, einige Bekannte mit ausgezeichneten Skills sowie das Team des Badhuesli Jugend und Kultur unterstützen ihn – und schon ist die Basel Cypher geboren, ein Online-Event, an dem über 70 Künstler*innen teilgenommen haben, das auch auf youtube ganz schön Wellen geworfen hat.
Von Christian Platz, Präsident JuAr Basel
Linus Pedrojetta hat im Badhuesli seinen Zivildienst abgeleistet, er ist mit diesem Angebot von JuAr also bestens vertraut. Am letzten Pärkli Jam vor der Corona-Krise war er für die Open Mic-Beiträge zuständig. Er ist selber Rapper, sein Künstlername ist Fenton – und er ist daran interessiert, Veranstaltungen in seinem Genre aufzuziehen. Im PurplePark – dem JuAr Basel-Haus im Gundeli – hat er erste Erfahrungen gesammelt. Dort hat er nämlich seine ersten kleinen Cyphers veranstaltet. Cypher, das Wort weist auf chiffrierte Botschaften hin, im Rap ist damit ein Anlass gemeint, bei dem die Texte frei improvisiert werden, frisch, roh und wuchtig.
Gipfeltreffen
Die Basel Cypher wurde zum Gipfeltreffen im St. Johann, Rapper*innen aller Stilrichtungen, aus allen aktiven Altersgruppen waren dabei – unter anderem die beiden Basler Dialektschwergewichte Black Tiger und Pyro. Linus: «Diversität war uns besonders wichtig, deshalb haben wir uns beispielsweise auch nicht alleine auf Dialekt-Rap konzentriert, alle Sprachen waren willkommen. Unser Ziel war es, diese Cypher als Plattform für die Szene zu benutzen, als Beitrag dazu, dass sie zusammenwächst. Wir wollten zudem keine diskriminierenden Texte, keinen Rassismus, keinen Sexismus, keine Homophobie, keine Gewaltverherrlichung. Das hat leider nicht ganz immer geklappt, aber ich denke, wir haben den Tarif diesbezüglich durchgegeben, indem wir Verstösse gleich thematisierten.»
Puppen statt Publikum
Linus konnte einen Kollegen an Bord bringen, Andreas Erisman, der eine Ausbildung als Veranstaltungstechniker absolviert: «Er hat die ganze Online-Verbreitung für uns gemacht, das war sensationell. Zudem hatten wir einen guten Szenographen dabei, der unter dem Künstlernamen Buxxtebuude arbeitet, die ganze Ausstattung mit den Puppen war eine Anspielung auf die Corona-Situation, die Puppen haben uns sozusagen das Live-Publikum ersetzt. Die Zusammenarbeit mit dem Badhuesli war super. Ich finde die Kulturförderung, wie sie dieses Haus betreibt, grossartig.» Aufgrund der guten Konzeptarbeit aller Beteiligten wurde der Anlass sogar mit Mitteln aus der Kulturpauschale der Stadt-Basel unterstützt. Linus will, nach dem erfolgreichen ersten Anlass, weiter machen, nicht nur in Basel – sondern im ganzen Land.
Begleitete Dreiergruppen
Der Anlass war also eine gelungene Sache, dennoch: er musste halt ohne Live-Publikum stattfinden. Das Team des Badhuesli hofft natürlich, dass es nach der Sommerpause wieder richtig losgeht. Trotzdem war tolle Stimmung im Haus, die Szene hat sich getroffen, viele waren ganz bewegt. Roman Hueber, Leiter des Badhuesli: «Es war so wichtig für uns alle, wieder einmal einen Event zu machen, auch wenn es unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden musste, die wir mit den jungen Veranstaltern zusammen geplant und umgesetzt haben. Es durften ja zu keinem Zeitpunkt mehr als 15 Personen im Haus sein.» Die Teilnehmerinnen traten in Dreiergruppen an. Während sie im Haus waren, wurden sie permanent von einer Koordinationsperson begleitet. Wo es notwendig war, waren zum Schutz rollbare PVC-Wände installiert. So wurden die Akteureinnen zunächst in eine Wartezone gelotst, dann zum Auftritt schliesslich wieder ins Freie hinaus, wo es Pizza von Vito und Bier gab. «Es war so toll zu sehen, wie die Künstler*innen den Anlass geschätzt haben, das macht in schweren Zeiten wieder mal Mut,» so Roman.
Nachzuhören unter unten eingebetteten Video:
20 Jahre Mädona zum Zweiten
Wild und frech und wunderbar

Nach jahrelanger Vorarbeit zahlreicher Fachfrauen und auch einiger weniger Männer wurde am 5. Mai 2001 Mädona, der erste Treffpunkt für Mädchen und junge Frauen der Nordwestschweiz eröffnet. Wenn man bedenkt, dass im gleichen Jahr der Mädchentreffpunkt in Zürich nach 12 Jahren Betrieb wegen mangelnder finanzieller Unterstützung geschlossen wurde, war das bemerkenswert. Wer hätte damals gedacht, dass Mädona nach 20 Jahren noch existiert? Ich zumindest wäre mir da nicht sicher gewesen. Deshalb freue ich mich umso mehr, Mädona zum 20. Geburtstag zu gratulieren. Happy Birthday Mädona! Ich wünsche dir alles erdenkliche Notwendige um mindestens weitere 20 Jahre weitermachen zu können.
Von Monika Walti, die das Mädona mitbegründet und jahrelang geleitet hat
Von 2001 bis 2010 war der Mädchentreff Mädona in einem privaten Wohnhaus eingemietet, vorher war dort ein Coiffeursalon. Der Mädchentreff verfügte über insgesamt 79 (!) Quadratmeter Fläche. Es gab drei Räume und eine Küche. Ein Raum diente als Büro und Beratungszimmer. Die beiden anderen Räume wurden multifunktional genutzt. Der Treff lag mitten im Matthäusquartier, direkt neben dem Bläsischulhaus mit grossem Pausenplatz und angrenzendem Spielplatz. Mädona war an fünf Tagen die Woche geöffnet und wurde mehrheitlich von Mädchen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren genutzt. Fast alle Mädchen wohnten im Matthäusquartier oder in Kleinhüningen. Sie stammten zu mehr als 95 Prozent aus Familien mit Migrationshintergrund, kamen aus rund 20 verschiedenen Ländern. Unter den Treffnutzerinnen gab es Mädchen of Color und Mädchen die aus Konfessionsgründen Kopftücher trugen. Im Mädona verbrachten sie einen Teil ihrer Freizeit. Der Mädchentreff wurde jeweils von einem Team, bestehend aus zwei fest angestellten Mitarbeiterinnen und einer Sozialpädagogin in Ausbildung, geführt.
Kommunikativ
Ins Mädona kamen die Mädchen, um sich mit Kolleginnen und Freundinnen zu treffen, mit ihnen gemeinsam etwas zu unternehmen oder einfach um miteinander zu reden. Sie hörten Musik, tanzten, spielten, bastelten, kochten oder gingen nach draussen, um Fussball oder Gummitwist zu spielen. Die Mädchen kamen in den Mädchentreff, um gemeinsam oder mit Unterstützung der Teamfrauen ihre Hausaufgaben zu erledigen. Sie kamen, um an einem Themennachmittag oder Ausflug teilzunehmen. Gespräche über ihre Sorgen, Probleme und Freuden waren fester Bestandteil des Alltags. Sie liebten es, an grösseren Anlässen teilzunehmen, die Mädona mitorganisierte, so wie etwa die Girls-Pool-Night oder das Mädchentöggliturnier. Viele Mädchen kamen auch gezielt für Beratungsgespräche zu Themen wie Häusliche Gewalt, Schulprobleme, Sexualität, Berufswahl oder Konflikte mit anderen Mädchen. Der Alltag im Mädchentreff war so lebendig, vielseitig und unterschiedlich wie die Mädchen selbst.
Zu meinen Lieblingserinnerungen gehören: Mädchen, die auf Matten auf dem Boden lagen, jede mit einer weissen Pflegeemulsion auf dem Gesicht und die Augen mit Gurkenscheiben belegt. Sie kicherten und freuten sich über den Wellness-Nachmittag. Mädchen, die das WC in Knallpink anmalten, und mit Federn, viel Glitzer sowie Spiegelscherben dekorierten. Und nicht zu vergessen: Mädchen die Kekse oder Kuchen gebacken hatten – und mit viel buntem Zuckerguss dekorierten.
Bedürfnisorientiert
In den Jahren 2001 – 2009 etablierte sich Mädona – durch grosses Engagement und viel Herzblut mit Leben gefüllt – zu einem wichtigen Spot für Mädchen mit fester Verankerung in der Basler Jugendarbeit. Das Angebot des Mädchentreffs war vielfältig, konsequent an den Bedürfnissen der Nutzerinnen orientiert und wurde von ihnen sehr geschätzt.
An den Mädchentreff Mädona wurden von Beginn an hohe Erwartungen gestellt. Aus heutiger Sicht ist klar, dass es unter den damals gegebenen Rahmenbedingungen unmöglich war, diese komplett zu erfüllen. Vor allem der Anspruch, das Mädona von Mädchen und jungen Frauen aus der ganzen Stadt genutzt würde, konnte nicht realisiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hätte der Mädchentreff zentraler angesiedelt werden, mit viel mehr Raum (Quadratmeter und Räume), einer anderen Infrastruktur und mehr Personalressourcen ausgestattet sein müssen. Auch der Anspruch nach einem grösseren Angebot an themenspezifischen Workshops war angesichts der Kleinheit von Mädona nicht realisierbar. Wenn ein Workshop stattfand, konnte der Mädchentreff nur eingeschränkt parallel von anderen Mädchen genutzt werden. Mädona war ein sehr gut frequentierter Quartiertreffpunkt für Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Nicht mehr und nicht weniger. Dieser Fakt hat immer wieder zu harscher Kritik an der Arbeit vom Mädona geführt. Doch die hohen Besucher*innenzahlen des Mädona belegten, dass dieses Angebot für die Treffnutzerinnen richtig und wichtig war.
Engagiert
Aus heutiger Sicht staune ich, was wir in und um diesen kleinen Mädchentreffpunkt alles realisiert und erreicht haben. Ich staune auch, wie viel Unterstützung Mädona von unzähligen Fachfrauen und Fachmännern innerhalb und ausserhalb der JuAr erhalten hat. Ohne dieses Engagement, wäre Mädona nicht geworden, was es heute ist. Zentral für die Realisierung des Mädchentreffs war das grosse Engagement der Trägerschaft JuAr Basel, dem Kanton Basel-Stadt, der CMS und weiteren Geldgebern. Denn ohne genügend bereitgestellte finanzielle Ressourcen und die damit verbundene Anerkennung des Mädchentreffs, wäre es unmöglich gewesen, Mädona aufzubauen und zu realisieren.
Bis heute ist der Mädchentreff Mädona in der Nordwestschweiz ein Unikat. Im Mädchentreff wurden die Mädchen und ihre Anliegen als wichtig erachtet und ernst genommen. Das «kleine» Mädona an der Müllheimerstrasse 87 war voller Leben, aber keine heile Welt.
Für mich war Mädona einfach wild und frech und wunderbar.
Das Leben ist eine Baustelle – zeitweise

Nach mittlerweile 19 langen Jahren Mieterschaft im Bürgerlichen Waisenhaus erfährt unsere Geschäftsstelle während der Ferienzeit eine Rundum-Renovierung. Ab Ende Juni bis ca. 20. Juli arbeiten alle, die nicht im Homeoffice tätig sein können, in einem Minibüro auf der gleichen Etage (ist ausgeschildert). Die komplette Entrümpelung, das Verpacken und die Auslagerung der meisten Möbel und Ordner während des laufenden Betriebs, war logistisch anspruchsvoll und im stets extrem belebten Monat Juni eine echte Herausforderung. Danke an das ganze Team – insbesondere an Projektleiter Oliver Falk vom Sekretariat, für die Organisation und die viele zusätzliche Arbeit!
Vom 19. Juli bis 2. August kommen dann weitere Räume, u.a. die der Jugendberatung dran. Beraten wird in dieser Zeit in einem der bis dahin frisch sanierten Büros in der Geschäftsstelle.
Wir freuen uns auf die Rückkehr in «picobello» Büroräume.
Roman Hueber, Leiter Badhuesli – 20 Jahre bei JuAr Basel

Für Roman sind die Resultate der vielen Projekte und Prozesse, die er bewegt, wichtiger, als die Rolle, die er dabei gespielt hat, jene möchte er keineswegs überbetonen. Seine Arbeit hat einst im Badhuesli St. Johann angefangen, damals, in den 1990er Jahren, als dieses Haus noch ein Ort war, an dem – unter anderem – rivalisierende Strassengangs aus der ganzen Stadt zum Stammpublikum zählten. So ist Roman als Praktikant also gleich in eine wilde Phase der Jugendarbeit eingestiegen, in der sehr viel Pioniergeist herrschte. Eine unvergessliche Periode.
Von Christian Platz, Präsident JuAr Basel
Einige Jahre und eine Ausbildung später kehrte Roman als Teammitglied ins Haus zurück. Dessen Leiterin war damals Jolanda Winter, und alles wurde anders, ganz bewusste, glasklare Team-Entscheide und Haltungen haben zu einem neuen Klima geführt. Bald übernahm Roman die Leitung des Angebots. Unser Geschäftsführer, Albrecht Schönbucher, erinnert sich: «Er hat visionär und mit klaren Ideen entscheidend dazu beigetragen, das alte Badhuesli aus einem recht finsteren Loch in ein rundum saniertes, multifunktional nutzbares Gebäude zu verwandeln. Als Bauherr arbeitete er zeitweise Tag und Nacht mit, damit die knappen Mittel überhaupt ausreichten. Mit seiner Leidenschaft, seinem Herzblut, seiner unerschöpflich wirkenden Energie und einer immensen Kreativität, mit grosser Begeisterungsfähigkeit und als hervorragender Motivator, dazu einem stets noch wachsenden Netzwerk, entstand so ein überregional beachtetes Jugendkulturhaus – zentral von einer Vielzahl Jugendlicher und junger Erwachsener betrieben. Mit einem sehr begrenzten Budget – fast ausschliesslich über Stiftungsgelder und Eigenleistungen gespeist – wird dort sehr viel Gutes geleistet! Sein grosses Verhandlungsgeschick, seine Beharrlichkeit und vor allem seine starke Überzeugungskraft helfen dabei.»
Im Zwanzig-Jahre-Zeitraffer betrachtet ist es wahrlich ein erstaunlicher Vorher-Nachher-Effekt, der sich hier präsentiert: Das wilde alte Haus beim St. Johanns-Tor ist zum «Badhuesli Jugend & Kultur» geworden, das Roman leitet, – es ist ein Jugendangebot, wie es in unserer Zeit sein muss. Im Zentrum stehen die jungen Menschen, die hier etwas anreissen, umsetzen, reissen möchten, Roman und seine Leute agieren als Möglichmacher*innen, als diskrete Kräfte im Hintergrund, als Coaches. So wird im Haus Jahr für Jahr eine grosse Zahl an Veranstaltungen durchgeführt – Höhepunkt des Kalenders ist jeweils das Festival Pärkli Jam, welches leider wegen Corona pausieren musste –, die komplett von jungen Menschen geplant und umgesetzt werden. Gleichzeitig proben hier junge Tanzgruppen, Bands, Kollektive in gut-ausgestatteten Räumen. Ein fantastisches Modell, das unter dem Virus jedoch besonders stark leiden musste.
Doch Roman bleibt guten Mutes. «Weisst Du, was mich nach zwanzig Jahren noch motiviert?» Nein, aber es interessiert uns. «Ich darf immer wieder neue Generationen von jungen Erwachsenen kennenlernen, die unglaublich kreativ sind, Talent haben, die motiviert sind, die eigentlich nur Raum, Mittel, Zeit brauchen – und schon entsteht etwas Wunderbares. Sie fügen sich nach und nach ins Team ein, erleben das Fieber bei ihren ersten Veranstaltungen, entwickeln sich weiter, eignen sich Fähigkeiten an, die sie weitertragen, als Künstlerinnen oder Technikerinnen. Dann kommt der Tag, an dem sie zu neuen Ufern aufbrechen. Und plötzlich höre ich, dass sie an anderen Orten Konzerte geben oder mischen oder beleuchten… Die Freude und die Energie, die damit verbunden sind, geben mir unendlich viel zurück.» Wir gratulieren Roman und wünschen ihm alles Liebe und Gute für seine Zukunft bei JuAr Basel.