Newsletter Winter 2023 – Adventsgrüsse von JuAr Basel

«Ich werde an Weihnachten nach Hause kommen. Wir alle tun das oder sollten es tun. Wir alle kommen heim oder sollten heimkommen. Für eine kurze Rast, je länger desto besser, um Ruhe aufzunehmen und zu geben.»

Charles Dickens (1812 – 1870)


Liebe Leserinnen und Leser
Liebe Freundinnen und Freunde von JuAr Basel
Liebe Alle

Das passt in die Adventszeit. Letzte Woche durften wir von JuAr Basel uns freuen. Angesichts dessen, dass wir nun mit einer Verlängerung unseres alten Leistungsauftrags ins nächste Jahr gehen  – anstatt mit einem neuen, wie es eigentlich sein sollte –, was für uns ein gewisses finanzielles Risiko darstellt und viel Vertrauen in unsere staatlichen Geldgeber fordert, haben wir die Nachricht natürlich gefeiert: Der Grosse Rat beschloss letzten Donnerstag, dass die Mittel für die Offene Kinder- und Jugendarbeit nun doch um 1.5 Millionen Franken erhöht werden, nicht um 400’000 Franken weniger, wie es noch bis vor Kurzem geheissen hat.

Wir danken allen Grossrätinnen und Grossrätin, allen politisch aktiven Kräften, die uns in dieser Sache unterstützt haben, von Herzen.

Prinzip Hoffnung

Dieser Beschluss gibt auch unserer Organisation Hoffnung. Denn unsere Angebote sind alle gut bis vollständig ausgelastet, wir haben Angebote, die wegen der (eigentlich erfreulich) vielen Jugendlichen, die da mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, Anliegen, Interessen und soziokulturellen Hintergründen zu JuAr Basel kommen, personell massiv an ihre Grenzen stossen. Seit 20 Jahren arbeitet JuAr Basel – mehr oder weniger – mit demselben Personalschlüssel, während die Welt teurer geworden ist.

Unsere Löhne sind heute kaum mehr konkurrenzfähig, deshalb sorgen wir dafür, dass die JuAr Basel in anderen Belangen eine gute Arbeitgeberin ist und bleibt. Und wir vom Vorstand der Organisation sind unseren Mitarbeitenden unendlich dankbar dafür, dass sie bei so guter Stimmung derart imponierend innovativ arbeiten, dass sie sich nach Kräften – und manchmal sogar noch darüber hinaus – für die Jugendlichen einsetzen, die in unserer Stadt leben.

Handybildschirm als zweite Netzhaut

Auch unsere Organisation hat schon vor einiger Zeit erkannt, wie wichtig die Präsenz der Offenen Jugendarbeit im digitalen Universum ist. Die Kenntnisse – auch noch der neusten –Trends, die auf dem digitalen Feld wie Pilze auf Kuhhaufen spriessen, und viele Jugendliche blitzschnell in ihren Bann ziehen, sind für professionelle Jugendarbeitende in unserer Zeit unerlässlich.

Aber auch die digitale Jugendarbeit erfordert Mittel und Personal, die wir nicht haben, weil bis jetzt der politische Wille dafür fehlte. Das könnte sich nach dem Grossratsbeschluss nun ein wenig ändern.

Was ein bisschen seltsam ist, weil ja auch der Staat und seine Behörden, etwa die Schulen, digital aufrüsten. Aber auch weil der Handybildschirm die zweite Netzhaut unserer Jugendlichen geworden ist. Weil die Inhalte, die sie auf dem Netz finden, ihnen wie isolierte Brocken aus dem digitalen Universum entgegenfliegen, ohne Kontext, ohne Erklärung, alles in nie zuvor dagewesener Kenntnis der Kundschaft aufbereitet und serviert, gesteuert von Algorithmen, die ihren Kunden nie kontroverse Meinungen oder Weltbilder präsentieren, sondern immer nur Bestätigung, immer nur Zucker. Dazu kommen Lügen à discrétion, Betrugs- und Manipulationsmaschen sowie eklige Annäherungsversuche.

Die ultragrausamen Gewalt- und grenzüberschreitenden Pornobilder, die auf dem Netz lauern, und sich bei einigen Jugendlichen grosser Beliebtheit erfreuen, wollen wir hier nur am Rand erwähnen.

Das Aufwachsen einer ganzen Generation mit den extremen digitalen Möglichkeiten unserer Tage, die ganz schnell in diese Welt gekommen sind und sich noch schneller weiterentwickeln, ist eine gigantische Chance aber auch eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, der wir jetzt begegnen müssen, weil es sonst zu spät ist.

Wir sind dazu verpflichtet, diese Inhalte, gerade mit den Jugendlichen zusammen, zu kontextualisieren, einzuordnen, kritisch zu bewerten. Das Abrutschen von Menschen, auch jungen Menschen, in die kalte digitale Isolation oder in ein virtuelles «Rabbit Hole», ist eine weitere – ganz reale – Gefahr. Dann, man vergesse es nie, das Gegenüber ist eine Maschine, auch die künstliche Intelligenz, das digitale Universum kann keine angemessene Heimat für die Menschenseele sein.

Wir bleiben bedürfnisorientiert

JuAr Basel ist bereit, sich der digitalen Welt zu stellen, mit Augenmass, demokratischer Gesinnung und ethischen Grundüberzeugungen, weil wir eben für bedürfnisorientierte Jugendarbeit stehen. Und Bedürfnisse sind nicht bloss Wünsche oder Träume, die in Erfüllung gehen, sondern sie äussern sich gerade auch in ganz realen Situationen, in Problemen und Nöten, in berechtigten Fragen an unsere Erwachsenenwelt, in diesen Bereichne bietet unsere Offene Jugendarbeit natürlich ebenfalls Hand.

Immer dort, wo es notwendig ist, auf die Bedürfnisse und Anliegen junger Menschen zu reagieren, mit Rat und Tat, Wissen und Mitteln, stehen unsere Angebote zur Verfügung, enge Schubladen und Kategorien sind unsere Sache nicht.

Nach Hause kommen

Doch nun stehen die Festtage vor der Tür. Ich hoffe, dass sie auch Ihnen eine gewisse Ruhe im Leben bescheren, denn die ist ganz wichtig, in unserer Welt der Dauerbeschleunigung. Deshalb habe ich diesem Artikel ein bekanntes Zitat des grossen Charles Dickens vorangestellt, das von weihnächtlicher Heimkehr spricht…

… Heimkehr; wissen Sie, vorgestern hatten wir abends eine wichtige JuAr Basel-Besprechung an der Thiersteinerallee, ganz hinten im Gundeli. Ich kam etwas zu früh an bei der Heiliggeistkirche. Daher beschloss ich, an die hinterste Güterstrasse zu laufen, wo das kleine Haus steht, in dem ich zehn Jahre lang gewohnt habe, zwischen meinen 20. Und meinem 30. Lebensjahr. Vor 28 Jahren bin ich hier ausgezogen, aus dieser kleinen Wohnung, Toilette auf dem Gang, Bad im Keller. Ich bin schon lange nicht mehr diesen Weg gegangen, der einst so ganz und gar vertraut, mir so gänzlich zu eigen war, doch an diesem dunklen und nassen Winterabend kam es mir plötzlich vor, als wäre das alles erst gestern gewesen.

Ich fühlte mich, als würde ich nach Hause kommen. Hier hat Alex gewohnt, hier Margrit, hier Markus, hier Leonie und Felix, dort drüben Marc, hier hatte Fritz seine Videothek. Sie alle sind seit Jahren weg, ausgezogen.

Und dann stand ich vor jener Tür, zu der ich keinen Schlüssel mehr im Hosensack habe, und dachte: dort oben, im ersten Stock, wohnt meine Jugend. Da lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Und meine Jugend wird für immer hier wohnen…

Die Heimat, liebe Leute, ist ein innerer Ort, der uns allen ganz alleine gehört, die wahre Heimat ist unsere innere Welt. Und JuAr Basel kümmert sich nicht nur um die äusseren Anliegen der Jugendlichen – sondern auch um jene innere Welt, in der der wahre Reichtum jeder Menschenseele wohnt.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen, wünsche ich Ihnen allen, frohe Festtage und einen guten Rutsch ins nächste Jahr.

Herzlich

One Love

Christian Platz, Präsident der JuAr Basel

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Newsletter Winter 2023 – Charity-Anlass im PurplePark – Das Weltgeschehen, die Jugend und heisse politische Eisen

Die Anregung ist von den Jugendlichen gekommen, die den Tanzraum des Jugendzentrums PurplePark von JuAr Basel benutzen. Sie managen ihren Raum und ihre Termine selber, sind überaus engagiert und in der Tanzszene hervorragend vernetzt. Tanz ist eine internationale Sprache ohne Worte.Die Leute, die hier im Gundeli, neben dem Südkopf des Bahnhofs SBB, tanzen, kommen aus allen Himmelsrichtungen unserer Welt, haben auch rund um den Globus freundschaftliche Verbindungen zu anderen Tanzenden, welche teilweise auch Wurzeln in Israel oder Palästina haben oder sich stark mit diesem Konflikt auseinandersetzen. Die schrecklichen Geschehnisse in dieser krisengeschüttelten Weltregion beschäftigten die Gruppe verständlicherweise sehr. Also redeten sie mit dem Team des Hauses – alsbald wurde eine Veranstaltung zum heiklen Thema auf die Beine gestellt.

Den Dialog unter Andersdenkenden fördern

Elsbeth Meier, Co-Geschäftsleiterinvon JuAr Basel, über den Einfluss des Weltgeschehens auf die jungen Menschen, die unsere Angebote besuchen, und unseren Umgang damit: «Die freie Meinungsäusserung, der demokratische und respektvolle Umgang mit Menschen, die eine andere Meinung haben sowie differenzierte Meinungsbildung gehören zu den Grundwerten der Offenen Jugendarbeit, die in unseren Jugendzentren aktiv gelebt werden. Eine andere Tatsache ist, dass viele der Jugendlichen, die unsere Angebote nutzen, einen arabischen kulturellen Hintergrund haben. Die meisten von ihnen informieren sich auf dem Internet und in sozialen Medien., Mit Material über die aktuelle Nahostkrise wurden und werden sie regelrecht überschwemmt, teilweise mit enorm tendenziösem Material und extrem brutalen Bildern. Sie fragen sich: Welche Information ist vertrauenswürdig? Gleichzeitig solidarisieren sie sich mit ihren Landsleuten, ein natürlicher Reflex. Die Angebote von JuAr Basel sind inklusiv und niederschwellig, sie nehmen alle Jugendlichen auf und interessieren sich aktiv für deren Anliegen. Gleichzeitig gelten bei uns klare Regeln, wir fördern den Dialog unter Andersdenkenden, bei uns entstehen Empathie und Toleranz unter jungen Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten, weil sie einander zwanglos kennenlernen. Dafür war die Charity-Veranstaltung des PurplePark ein Musterbeispiel.»

Beide Positionen und deren Hintergründe erklären

Sabrina Fleury, Leiterin des PurplePark über die Charity Veranstaltung und die Geschichte dahinter: «Die Jugendlichen, die wegen dem Israel-Palästina-Thema auf uns zukamen, stammen alle aus der kreativen Szene. Einige von ihnen haben bei uns auch schon Musik- und Tanzveranstaltungen aufgezogen, die sehr gut abgelaufen sind. Ihr Anliegen war es, Geld für eine politisch und konfessionell unabhängige Organisation zu sammeln, die Kinder und Jugendliche aus dem umkämpften Gaza-Streifen bringt. Es gibt Jugendliche, die unser Jugendzentrum besuchen, welche in ihrer Biografie Berührungspunkte mit Flucht oder Krieg erlebt haben. Jedenfalls machten wir der Gruppe klar, dass unser Jugi politisch unabhängig ist, dass wir, wenn es um Konflikte geht, beide Positionen und deren Hintergründe erklären und ausleuchten wollen, dass wir – und das ist das zentrale Element – für die Menschenrechte einstehen. Und dies alles sollte am 17. November, dem Datum des Events, spürbar werden.»

Heikler Ausrutscher

So war es dann auch, doch zuvor mussten die jungen Veranstaltenden noch einen heiklen Ausrutscher überstehen, der die Geschäftsführung und den Vorstand von JuAr Basel sowie eine lokale Zeitung auf den Plan rief. Ein Flyer-Entwurf für ein Save-the-date-Post, auf dem die Parole «Free Palestine» stand war – über Social Media – an die Öffentlichkeit geraten.Der Entwurf wurde ohne Sabrinas Wissen veröffentlicht, weshalb sie erst über eine digitale Plattform davon erfuhr. Per Mail und Telefon gab es deswegen vor dem Event Diskussionen zwischen Geschäftsleitung und Vorstand, weil das Thema tatsächlich heikel war (und bleibt). Die Meinung, die sich am Ende herauskristallisierte, nachdem alle das Programm sowie das Sicherheits- und Betreuungskonzept gesehen hatte, war folgende: Die Veröffentlichung des Entwurfs war ein bedauerlicher Ausrutscher, diese Botschaft können und wollen wir keinesfalls verbreiten, doch das Team hat die Lage im Griff, das Thema ist wichtig, JuAr Basel baut Diskussionsplattformen und -foren, bei denen Regeln des Anstands gelten, und bleibt politisch neutral. Unsere Ziele sind Aufklärung, sozialer Brückenbau und die Vermittlung differenzierter Sichtweisen. Die Auseinandersetzung mit dem Ausrutscher, dessen Wirkung sie sehr betroffen machte, war für die Veranstaltenden ein weiterer Lernprozess.

«Nobody is free until everybody is free»

Es wurde also ein neuer Flyer gestaltet – und die Veranstaltung konnte über die Bühne gehen. Für den späten Nachmittag/Abend wurde ein Awareness-Team auf die Beine gestellt. Alle Gäste der Veranstaltung wurden bei der Begrüssung darauf aufmerksam gemacht an wen sie sich bei unangebrachten Geschehnissen wenden können und wurden darüber informiert in welchem Rahmen der Event stattfindet. Eine Gruppe von jungen Leuten Flinta-Personen war für das Sounddesign des Abends verantwortlich, also Leute, die sich als «Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans oder agender Personen» bezeichnen – einer Bevölkerungsgruppe, die von religiösen und politischen radikalen Gruppierungen vieler Couleur nicht akzeptiert wird. Auch das ist ein subtiler Hinweis auf den Inklusiven Charakter der bei JuAr Basel gelebt wird. Auf Stellwänden wurden die Lebensrealitäten beider Konfliktparteien auf Bodenebene dargestellt, als Zeugnis für die fatalen Auswirkungen, die bewaffnete Auseinandersetzungen auf Leute wie Dich und mich hat, auf Alltagsleute. Es gab einen Flohmi, das junge Organisationsteam hatte allerlei feines Essen gekocht, das für den guten Zweck verkauft wurde, T-Shirts wurden bedruckt, mit dem Slogan: «Nobody is free until everybody is free». Alle Einnahmen flossen in den Spendentopf, 1632 Franken kamen am Ende zusammen. Ein erfolgreicher Anlass, der bei bester Stimmung über die Bühne ging.

Jener kurze, bange Moment

Im Verlaufe des Abends gab es nur einen Vorfall, bei dem das Awerness-Team einschreiten musste. Vier junge Erwachsene kamen ins Jugendzentrum und wollten ein Plakat aufhängen, auf welchem provokative Pro-Palästina-Aussagen standen. Sie kritisierten das Team des Jugendzentrums, es würden hier ja falsche Auffassungen verbreitet. Nach einer Diskussion konnten die jungen Erwachsenen zum Verlassen des Hauses bewegt werden. Die 150 Leute am Charity-Anlass liessen sich die guten Vibes von diesem Vorfall jedenfalls nicht verderben.

Danke, liebe Azura Silberschmidt

Azura hat uns ihre grossartige Fotodokumentation des Anlasses kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie hat sich zu diesem Projekt viele Gedanken gemacht und einen kurzen Text dazu verfasst, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:

«Ich bin besorgt über die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig behandeln, und über die Auswirkungen, die diese Ungerechtigkeiten haben. Ich arbeite mit der Fotografie als einem Raum, in dem Geschichten zu sehen sind, so dass die Fotografierten Teil des Entscheidungsprozesses werden können, wie die Erzählung gewoben wird. Infolge des digitalen Zeitalters, in dem wir leben, treten die Folgen politischer Spannungen und Ungerechtigkeiten, die das tägliche Leben der Menschen beeinflussen, immer deutlicher zutage. Viele fühlen sich verpflichtet, sich für die Menschen und die natürliche Umwelt einzusetzen, die von diesen Ungerechtigkeiten direkt betroffen sind. Es wird zu wenig über den Weg gesprochen, wie diese Situationen visuell dokumentiert, veröffentlicht und archiviert werden, und über die Erzählungen, die dem Betrachter aufgezwungen werden, je nachdem, wer hinter der Erstellung der Bilder steht. Ich habe mich gefragt, wie die Reportagefotografie in Zukunft aussehen wird oder könnte. Der Auftraggeber:innen einer öffentlichen Veranstaltung möchten in der Regel, dass die Veranstaltung so aussieht, als wäre sie gut besucht gewesen, als hätten sich die Leute amüsiert und als sei die Veranstaltung ein „grosser Erfolg“ gewesen. Meine bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass das Publikum oft nicht auf dem Foto sein will – Sie wollen einfach bei der Veranstaltung dabei sein. Die Erfüllung der Anforderungen der zahlenden Kunden und die Achtung der Bedürfnisse der Öffentlichkeit stehen in einem ständigen Konflikt. Mit verschiedenen Techniken suche ich nach Möglichkeiten, die Identität der abgebildeten Personen zu schützen. Für diese Fotos, die ich im Jugendzentrum aufgenommen habe, habe ich aktiv mit langen Belichtungszeiten gearbeitet, damit die Bewegung der Person Merkmale abstrahiert, die sie erkennbar machen würden. Für mich ist das eine gut durchdachte und friedliche aktive Massnahme gegen die herrschenden Strukturen.»

Azura Silberschmidt, 2023

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Newsletter Winter 2023 – Interview mit Mirjam Rotzler, Co-Geschäftsleiterin von JuAr Basel

Mirjam Rotzler, Co-Geschäftsleiterin von JuAr Basel

«Von Anfang an ist mir das grosse und starke Engagement aller Mitarbeitenden unserer Organisation aufgefallen.»

Seit einem halben Jahr arbeitet Mirjam Rotzler nun als Geschäftsleiterin im Top-Sharing bei JuAr Basel. Zeit für ein Interview. Wir sprechen mit ihr über das Ankommen, über erste Erkenntnisse und Herausforderungen – sowie über die Führung einer derart komplexen Organisation, deren Angebote örtlich weit auseinanderliegen und ganz unterschiedliche Merkmale aufweisen. 

Christian Platz: Du bist jetzt einige Monate bei uns, liebe Mirjam, bald ein halbes Jahr. Wie war das Ankommen bei JuAr Basel für Dich, was hast Du bei uns vorgefunden?

Mirjam Rotzler: Das Ankommen hat für mich eigentlich in dem Moment angefangen, als ich mich für die neue Stelle entschieden und den Vertrag unterzeichnet habe – und es war eine sehr schöne Ankunft. Das war eine lange Phase, ich habe ja schon einige Leute aus der JuAr Basel gekannt, meine Anstellung als Co-Geschäftsleiterin stiess bei ihnen ausschliesslich auf positive Reaktionen. Das war toll. Die Übergangszeit im Sommer mit Albrecht Schönbucher gestaltete sich sehr intensiv. Wir haben uns wirklich viel Zeit genommen. Ich konnte – anhand eines durchgetakteten Plans – in ganz viele Themen eintauchen. Einiges davon war natürlich mehr theoretisch, weil es um Felder ging, die in anderen Phasen des Jahreslaufs auf den Plan rücken. Jetzt kommen mir die Endjahresgeschichten, all die Abrechnungen und die Budgets, real entgegen. Nun bin ich froh um die Informationen, die ich erhalten habe. Von Anfang an ist mir das grosse und starke Engagement der Mitarbeitenden von JuAr Basel aufgefallen. Das ist wirklich aussergewöhnlich. Und diese anfängliche Einschätzung hat sich nur noch vertieft. Das Commitment, das unsere Leute für die Jugendlichen und ihre Anliegen aufbringen, ist hocherfreulich. Das beeindruckt mich.

Nun ist JuAr Basel ja eine Organisation, die über ganz Basel – und natürlich in Birsfelden – verteilt ist. Unserer Angebote weisen ganz unterschiedliche Merkmale auf. Wie nimmst Du das wahr?

Unterschiedliche Merkmale, ja, aber sie alle sind stark vom Charakter, dem Geist und Stil von JuAr Basel geprägt und das ist eine sehr starke Prägung. Sie verstehen sich alle als Teil dieser Organisation. Mädchenarbeit, Kulturarbeit mit Jugendlichen, Jugendberatung, Ferienpass, Tagesstrukturen, die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Birsfelden, das ist alles voll integriert, das ist eben schon beeindruckend. Eine derartige Netzwerkorganisation stellt immer einen gewachsenen Organismus dar, in unserem Fall mit einer langen Geschichte im Rücken. Diese Geschichte manifestieren sich in den Abläufen und Methoden von JuAr Basel tagtäglich. Für mich, als die Neuankommende, sind einige dieser Dinge nicht logisch – und dann frage ich nach, warum denn das so sei. Die Antwort «das war immer so», die reicht mir natürlich nicht. Ich denke, dass es da Dinge gibt, die es zu bewahren gilt, aber auch andere, die man mit der Zeit verabschieden muss. Das ist die Chance, wenn eine neue Person ins Spiel kommt, durch die Aussensicht fallen auch Sachen auf, die man von innen her nicht – oder nicht mehr – sieht. Mir wurde von Anfang an warnend gesagt, dass die Angebote von JuAr Basel kleine Königreiche seien, die auch beschützt würden. Und darüber trage ich nun die Gesamtverantwortung, in einer eine sehr vielschichtige Organisation. Das ist schon eine Herausforderung, die ich sehr ernst nehme. Für mich ist es wichtig, dass ich alle Einzelteile sehr gut kennenlerne, aber auch den Blick auf das Gesamte behalten kann.

Gibt es auch schwierige Elemente?

Ja, manchmal bin ich frustriert darüber, dass ich noch nicht alles weiss, noch nicht alle Zusammenhänge verstehe. Aber dann sage ich mir: Hey, das ist ja auch eine hochkomplexe Organisation, es ist absolut folgerichtig, dass es eine gewisse Zeit braucht, um sich da in alle Facetten einzuarbeiten. Ich muss mir diese Zeit geben. Und unsere Mitarbeitenden erlebe ich dabei als sehr hilfreich. Ich muss das Puzzle für mich zusammensetzen.

Wie erlebst Du die Zusammenarbeit mit Deiner Leitungspartnerin Elsbeth Meier?

Das ist eine ganz grosse Bereicherung für mich, dass ich mit ihr zusammenarbeiten darf, wirklich toll. Ich erlebe nun die Vorteile einer Leitung, die aus zwei Personen besteht. Du bist nicht alleine für alles verantwortlich. Ich kann teilen, ich kann nachfragen, ich habe ein Gegenüber, das in der gleichen Lage ist wie ich selber. Ich kann ihr enormes Wissen anzapfen – und herausfinden, was diese Einblicke für mich und für die Zukunft bedeuten. Ich finde diese Zusammenarbeit sehr, sehr schön und bin dankbar.

Elsbeht Meier und Mirjam Rotzler am offiziellen „Willkommenheissen“ von Mirjam Rotzler

Nun, nächstes Jahr wird Elsbeth pensioniert und Du wirst einen neuen Leitungskollegen bekommen, nämlich Marc Moresi, der schon sehr lange bei JuAr Basel arbeitet und zurzeit noch Leiter der Freizeithalle Dreirosen ist. Wie schätzt Du diesen Wechsel ein, der ja erfolgt, wenn Du gerade mal etwas über ein Jahr im Amt bist?

Ich habe Respekt vor dem, was da kommt, aber in einem positiven Sinn. Gleichzeitig freue ich mich nämlich darauf. Der Vorstand hat sich gewiss viele Gedanken über die Besetzung des neuen Leitungsteams gemacht – und deshalb vertraue ich darauf, dass es gut kommt. Wir nehmen uns ja jetzt schon genug Zeit, auch mit Elsbeth zusammen, diesen Wechsel solide vorzubereiten. Wir müssen uns auch im Alltag diese Fragen stellen: Was gleisen wir nun definitiv auf, wo nehmen wir Marc bereits mit rein? Der grösste Druckfaktor ist für mich folgendes Thema: In einem Jahr muss ich alles wissen. Ich kann nicht mehr bei Elsbeth nachfragen, muss den Jahresablauf verinnerlicht haben. Aber dann bin ich ja auch nicht allein, sondern arbeite mit Marc zusammen. Ich bin gespannt, wie wir es machen, wie wir uns die Führungsarbeit aufteilen, was für Einflüsse dies auf die Gesamtkonstellation haben wird. Und natürlich sind alle Mitarbeitenden darauf gespannt, wer von uns welchen Bereich übernehmen wird. Aber darüber können und wollen wir jetzt noch nicht informieren.

Du hast ja nicht nur JuAr Basel, ihre Mitarbeitenden und ihre Vorstandsleute kennengelernt, sondern auch unsere Partnerorganisationen und Möglichmachenden, die Stiftungen, mit denen wir zusammenarbeiten dürfen, unsere Auftragsgebenden vom Erziehungsdepartement, unser politisches Umfeld. Was kannst Du darüber berichten?

JuAr Basel ist eine im Kanton Basel sowie national anerkannte und geachtete Organisation im Bereich der Offenen Jugendarbeit. Von den Medien wird unsere Arbeit beachtet, unsere Themen werden wahr- und ernstgenommen. Ich habe auch bei Treffen mit Leuten, die in den anderen grossen Schweizer Städten Offene Jugendarbeit leiten, gesehen, in welcher Liga wir spielen. Ich weiss – und ich kenne doch einige davon persönlich –, dass viele Leute aus der Politik unsere Arbeit schätzen. Ich merke immer mehr, wie wichtig die JuAr Basel für neue Projekte ist, ich denke etwa an die Jugendapp. Auch die Stiftungen sind uns zum Glück wohlgesonnen, denn wir unterstützen Jugendliche ganz real, mit Mädchenarbeit, Plattformen für Jugendkultur und weiteren Aktivitäten. Ich bin da sehr dankbar, denn die Stiftungsbeiträge finanzieren uns Dinge, welche durch die Finanzhilfe des Kantons nicht abgedeckt sind. Und was die Letztere anbelangt, bin ich noch vorsichtig mit einem Urteil. Generell danke ich aber, dass in der Vergangenheit viel zu viel über Worte und Begrifflichkeiten gestritten und verhandelt wurde, in sehr energieraubenden Verhandlungen. Für mich sieht es so aus: wir nehmen die Bedürfnisse der Jugendlichen auf, ganz direkt, und finden Mittel und Wege, wie wir diesen Bedürfnissen entgegenkommen können, Genreschubladen und Wortklaubereien sind dabei ganz egal. Wir arbeiten schlicht und einfach bedürfnisgerecht und entsprechend den Realitäten, die wir antreffen. 

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Newsletter Winter 2023 – Ehre für unsere Jugendarbeit in den Bibliotheken der GGG Stadtbibliothek Basel

Unser Bibliotheksangebot hat dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag gefeiert – nun erhielt es auch noch einen Preis. Das – in der Branche allseits bekannte – Schweizer Kompetenzzentrum «sozialinfo.ch» konnte 2023 seinerseits nämlich bereits sein zwanzigstes Jahr seit der Gründung feiern. Aus diesem Anlass stiftete die Organisation einen Preis, dotiert mit je 2000 Franken, der an zehn Projekte ging, die im Sozialbereich aussergewöhnliches leisten. Im Restaurant Turbolama in Bern, in feierlichem Rahmen konnten unser JuAr Basel Team, das in den Bibliotheken arbeitet, und Sibylle Rudin, Vizedirektorin der GGG Stadtbibliothek Basel, die das Projekt einst mit-initiiert hat, es seither tatkräftig begleitet und unterstützt, den Preis entgegennehmen.

Immer von den aktuellen Interessen der Jugendlichen angestossen

Am Anfang stand eine Anfrage an die Adresse der JuAr Basel Co-Geschäftsleiterin Elsbeth Meier, vor über zehn Jahren. In den Bibliotheken, sowohl in der Stadtbibliothek im Schmiedenhof als auch in den Quartierfilialen, machten sich Gruppen von Jugendlichen breit, die sich an diesen traditionellen Orten der Ruhe für Unruhe sorgten, manchmal auch provokativ. Sibylle Rudin: «Einmal wurde sogar in einen Papierkorb uriniert.» Die GGG Stadtbibliothek Basel fragte unserer Organisation also an, ob wir nicht zusammenarbeiten und ein Konzept für Jugendarbeit im Rahmen von Bibliotheksbetrieben erstellen könnten. Die GGG ist eine traditionsreiche Basler Stiftung, welche JuAr Basel (bereits zu BFA-Zeiten) oft unterstützt und mit der unsere Organisation oft, gerne und gut zusammengearbeitet hat. Es hat dann einige Zeit gedauert, bis das Konzept umgesetzt werden konnte. Es galt in den ersten Jahren auch Hürden der Finanzierung zu überwinden und eine Vertrauensbasis mit dem Bibliothekspersonal aufzubauen.

Stetig weiterentwickelt

Elsbeth Meier hat diese Prozesse stehts umsichtig begleitet, geleitet und den Teams Impulse gegeben. Mehrere Teams haben das Angebot stetig weiterentwickelt. Das heutige, dreiköpfige Team steht nun an der Spitze einer Entwicklung, die stets ausgedehnt und weitergetrieben wurde und wird, im Bibliotheksraum und im digitalen Bereich. Ob Schreibgruppen, Buchjäger, Bastelnachmittage, Wettbewerbe, digitale thematische Projekte, Manga-, Podcast- oder Rap-Workshop, alles wird immer von den aktuellen Interessen der Jugendlichen angestossen. Und über diese Trends ist das Team des Angebots immer bestens informiert.

Unterschiedliche Zonen

Der Leiter Simon Zimmermann, Yasmine El-Aghar und Rahel Locher, die diese Arbeit zurzeit gemeinsam leisten, werden in letzter Zeit häufig von Hochschulen, anderen Bibliotheken sowie an Fachveranstaltungen eingeladen, um über ihre Methoden und ihre innovative Arbeit zu berichten. Die Zusammenarbeit mit den Bibliotheksprofis ist inzwischen fliessend und inspirierend geworden. Was auch mit der Unterteilung der Bibliotheksräume in Zonen, in denen die traditionelle Ruhe herrscht und andere, in denen es auch mal laut werden darf, zu tun hat.

Kurz-Dokufilm

Mit «sozialinfo.ch» ist nun eine weitere gewichtige Institution auf die Arbeit unseres Teams aufmerksam geworden. Simon Zimmermann: «sozialinfo kennen alle, das ist für uns schon eine grosse Ehre.» Die Preisverleihungsaktion fand unter dem Titel «von Wegen – paradoxe Interventionen im Sozialbereich» statt. Gewürdigt wurden «Menschen und Organisationen, die im Sozialbereich Aussergewöhnliches leisten». Zudem hat «sozialinfo.ch» einen guten professionellen Kurz-Dokufilm über unserer Jugendarbeit in den Bibliotheken produziert und auf YouTube gestellt, in dem Leute von der JuAr und von der GGG Stadtbibliothek zu Wort kommen.

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Newsletter Winter 2023 – Merry Christmas – Merry KI

Künstliche Intelligenzen finden immer schneller und immer mehr Platz in unserem Alltag. Letzte Woche hat deshalb die Rechtskommission der EU bekanntgegeben weltweit ein erstes Gesetz zu künstlichen Intelligenzen (KI) einzuführen. KI gewinnt gesellschaftlich immer mehr an Bedeutung. Auch bei uns in der JuAr Basel.

– Ein Plädoyer.

von Endrit Sadiku, JuAr Basel

Zugegeben: Die Tools zur künstlichen Intelligenz bringen wir nicht sofort mit der offenen Jugendarbeit in Verbindung. Der Kernauftrag in den Jugendzentren besteht darin, die Jugendlichen in den analogen Räumen willkommen zu heissen, Projekte partizipativ zu gestalten und mit der Beziehungsarbeit ihr Vertrauen zu gewinnen, um dadurch eine Basis für persönliche Beratungen zu schaffen.

Auch in den digitalen Räumen sind wir mit Jugendlichen im Kontakt. Kürzlich starteten wir im Jugendzentrum Kleinhüningen den Versuch, mit dem Tool «HeyGen» Videopräsentationen zu Informationszwecken für die Social Media den Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Einerseits, um die Jugendlichen mit der Technologie zu konfrontieren. Andererseits um auch die professionelle Selbsterfahrung zu fördern und den Umgang mit neuen Technologien zu erlernen. Der Versuch löste auf unseren Social Media-Kanälen aber auch innerhalb der Organisation überraschend viele Reaktionen aus. Einige waren positiv überrascht, was die Technologie bieten kann. Andere waren befremdet und wiederum andere nahmen es mit Gelassenheit auf. Viele Jugendliche fragten uns, ob wir nun eine neue Mitarbeiterin in Kleinhüningen eingestellt hätten. Dies zeigt, dass «Medina» nicht sofort als KI erkannt wurde, obwohl es kenntlich gemacht wurde (siehe Video).

Was halten Sie von Medina?

Der Versuch zeigt, wie wichtig die kritische Auseinandersetzung mit der Anwendung von KI-Tools in der Sozialen Arbeit ist. Auch die Implementierung des Computers in der Sozialen Arbeit für das Case Management war einst geprägt von Skepsis. Letztendlich verhält es sich wie mit den meisten neuen Technologien: KI-Tools zu nutzen, erleichtert den Arbeitsalltag und strafft die Arbeitsprozesse. Die Nutzung muss jedoch immer kenntlich gemacht werden und sie darf keinesfalls für manipulative Zwecke oder Fake News eingesetzt werden. Dazu verpflichtet uns die ethische Grundhaltung der Sozialen Arbeit. KI-Tools sind als gute Ergänzung zu betrachten und ersetzen nicht die eingangs erwähnte Beziehungsarbeit. Eine kritische Haltung zur Technologie gepaart mit einer gewissen Offenheit bleibt aber unabdingbar.

Für die JuAr Basel wünsche ich mir, dass wir den verschiedenen KI-Tools mit Offenheit begegnen, sie kritisch prüfen und in einen Austausch darüber kommen, welchen Mehrwert sie in unseren professionellen Alltag leisten können. 

In diesem Sinne: Merry Christmas – Merry KI

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Newsletter Winter 2023 – Jubilare

20 Jahre Carmen Büche, Co-Leiterin im Mädona

Seit 20 Jahren bereichert und prägt Carmen die Mädchenarbeit im Mädona. Mit ihrem offenen, strahlenden Wesen heisst sie über alle die Jahre zuverlässig die Mädchen und jungen Frauen willkommen.  Längst ist sie zu einer sehr wichtigen Vertrauensperson von vielen Besucherinnen* geworden. Unzählige Mädchen oder eben heute junge Frauen konnten ihre Fachkompetenz über Jahre in Anspruch nehmen, ihr grosses Wissen im Bereich der Anliegen der Mädchen unterstützend beiziehen. Mit einer Weiterbildung im Coachingbereich hat sie sich hier noch zusätzliche Kompetenzen angeeignet. Zudem engagiert sich Carmen stark in der Quartiervernetzung insbesondere in der Thematik «Gegen häusliche Gewalt an Frauen». Ein Mädona ohne Carmen ist eigentlich gar nicht mehr vorstellbar.

Wir gratulieren ihr herzlich und danken für das lange Engagement.

Elsbeth Meier, Co-Geschäftsleiterin JuAr Basel

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