Newsletter Herbst 2023 – Vorwort

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Unsere Jugendlichen sind digital-international

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Liebe Freundinnen und Freunde von JuAr Basel

Liebe Alle

Nun haben Sie also den Newsletter von JuAr Basel erhalten, während in der Stadt die Herbstmesse aufgebaut wird, das Laub von den Bäumen fällt, heisse Marroni und Kürbissuppe auf dem Menu stehen. Vielleicht gehören Sie auch zu denjenigen, die sich fragen, ob Halloween wirklich ein angemessener Brauch für unsere Region ist. Hatten wir früher nicht «Räbliechtli»-Umzüge statt jenen grinsenden orangen Kürbislaternen?

Doch internationales Brauchtum setzt sich seit vielen Jahren überall durch: Valentinstag wird auch in Johannesburg gefeiert, das Oktoberfest-Bierfass wird auch in Chiang Mai angezapft. Und die Kinder ziehen halt auch am Rheinknie an Halloween um die Häuser, mit schaurigen Kostümen und grossen Taschen für erbettelte Süssigkeiten.

In der digitalen Parallelwelt

Warum erzähle ich das? Weil sich die meisten Jugendlichen diese Fragen gar nicht stellen. Durch ihre Handys und Tablets stehen sie permanent mit der ganzen Welt in Verbindung, sie sind digital-international. In der digitalen Parallelwelt wird Halloween seit anfangs Oktober auf allen Ebenen angeheizt und beworben. Dies hat natürlich auch eine Entsprechung in der analogen Welt. Viele der Jugendzentren unserer Organisation machen eine Halloweenparty, genauso selbstverständlich, wie sie mit den Jugendlichen an die Basler Herbstmesse gehen. Unsere Bräuche teilen sich den Markt inzwischen ganz selbstverständlich mit dem internationalen Brauchtum, kein Wunder, hat die Manor einen auffälligen Halloween-Shop installiert, aber – keine Sorge – Magenbrot ist ebenfalls im Sortiment.

Während wir in den 1970er Jahren als Teenies sehnsüchtig auf die «Bravo» gewartet haben, um einmal im Monat zu erfahren, was unsere Stars so treiben, erfährt die Jugend von 2023 beinahe in Echtzeit, was ihre Prominenz sagt und tut (ob es dann auch noch wahr war bzw. ist, darf man in beiden Fällen bezweifeln).

Das Handy-Display ist zu einer zweiten Netzhaut geworden. Der Informationsfluss rast ja beinahe schon in Lichtgeschwindigkeit um den Globus, 24 Stunden am Tag. Das hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Und die Jugendlichen sitzen in diesem Welttheater in der vordersten Reihe.

Überall wird digital aufgerüstet, beim Staat, in der Privatwirtschaft, radikal und kostenintensiv. Aber was ist mit der Offenen Jugendarbeit?

Zögerliche Geldgeber

Unsere staatlichen Geldgeber sind noch sehr zögerlich mit Mitteln für digitale Jugendarbeit. Die Jugendapp Basel, an deren Entwicklung und Umsetzung JuAr Basel beteiligt war, hatte einen schweren Start und nun ist die weiterführende Finanzierung nicht gesichtert. Unsere Organisation kann sich gerade mal einige wenige Stellenprozente für den digitalen Fachbereich leisten. Ansonsten werden wir darauf verwiesen, dass die digitale Jugendarbeit einfach mit den Stellenprozenten geleistet werden solle, die wir haben.

Stellen Sie sich das einmal vor: Sie sind Teil des dreiköpfigen Teams des Jugendzentrums Eglisee. Zwei Mitarbeitende haben Dienst, 70 bis 80 Jugendliche sind auf der Anlage, unterschiedliche Gruppen, ganz verschiedene Charaktere, einige wollen unbedingt mit einem Team-Mitglied reden, andere spielen am Computer oder an ihren Handys herum, manchmal gibt es Streit, die ganze geballte Jugi-Ladung halt. Und dann soll da noch Zeit für systematisch und professionell betriebene digitale Jugendarbeit übrigbleiben, auf allen Kanälen? Das ist leider ein Ding der Unmöglichkeit.

Mit allen digitalen Wassern gewaschen

Aber wir tun unser Möglichstes. In unserem – unlängst erschienenen – «JuAr Basel Magazin» haben wir ein Interview mit dem Jugendarbeiter Endrit Sadiku veröffentlicht, eine digitale Version des Magazins finden sie auf unserer Homepage (https://bit.ly/495DUUp). Er arbeitet im Team unseres Jugendzentrums Chill Out, gehört zu den Erfindern und Betreibern des Talkshowkanals #jugendlivetalk (Sie können sich die Sendungen auf YouTube ansehen) und ist mit allen digitalen Wassern gewaschen. Er hat nun zusätzlich eine Querschnittaufgabe. Er kümmert sich nämlich um die Social-Media-Auftritte unserer Organisation, informiert und berät unsere Teams zu digitalen Themen, informiert sich selber laufend über Trends und Abgründe im Netz. In unserem Newsletter hat Endrit nun regelmässig eine Kolumne, in der er über Aktuelles aus der digitalen Offenen Jugendarbeit berichtet. In dieser Ausgabe finden Sie seinen ersten Beitrag. Wir freuen uns über diese Zusammenarbeit.

Freud und Leid der Offenen Jugendarbeit

Genauso gefreut haben wir uns über das Fest zum zehnten Geburtstag unserer Jugendarbeit in den Bibliotheken der GGG Stadtbibliothek Basel, das am 21. September stattgefunden hat. Die ernsteren Beiträge dieser Herbstausgabe beschäftigen sich mit der schrecklichen Verschmutzung unseres Jugendzentrums «PurplePark» im Gundeli, verursacht durch einen provisorischen internationalen Busbahnhof, der Situation auf der Dreirosenanlage, die schwierig bleibt, sowie mit unserer Jugendberatung, die sich stets weiterentwickelt, aber eigentlich noch deutlich zulegen müsste, um den Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft gewachsen zu sein.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit diesem Newsletter und einen wunderbaren Herbst. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn draussen die Blätter fallen, habe ich in meiner Freizeit wieder mehr Musse, um drinnen in Büchern zu blättern, anstatt durch digitale Texte zu scrollen.

Mit besten Grüssen

One Love

Christian Platz, Präsident der JuAr Basel

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Newsletter Herbst 2023 – Sieben oder acht Jugendberatungsprofis, mit Büros an zentraler Lage, wären für Basel-Stadt wohl angemessen

Zweiköpfiges Team, happige bis haarsträubende Fälle, lange Wartelisten, verzweifeltes Ringen um ein höheres Budget. Das war für sehr lange Zeit die Realität der Jugendberatung von JuAr Basel, einem Angebot, das niederschwellig, vertraulich, kostenlos agiert. Nun sind aus zwei Mitarbeitenden vier geworden, zwei neue Projektebenen – das «Care Leaver-Projekt» und «Catching Fire» – sind entstanden, das Verhältnis zur Abteilung Jugendhilfe des Erziehungsdepartements ist produktiv, Zusammenarbeit und Kommunikation mit Gesundheitsdepartement und Sozialhilfe haben sich gefestigt. So weit, so gut.

Psychosoziale Beratung läuft auf Hochtouren

Gleichzeitig funktioniert unsere Jugendberatung wie eine Sonde, sie akkumuliert durch ihre Tätigkeit ständig Wissen, erkennt Trends, leuchtet Abgründe aus. Dabei wird klar, dass auch dieses vergrösserte Team – allerdings kümmert sich eine Person ausschliesslich um «Catching Fire – den tatsächlichen und wachsenden Bedarf nach psychosozialer Beratung junger Menschen in unserer Stadt keineswegs abdecken kann.

Christoph Walter, Leiter Jugendberatung

Christoph Walter, Leiter der Jugendberatung und Dienstältester des Teams, erklärt: «Unser Kerngeschäft, also die psychosoziale Beratung, läuft nach wie vor auf Hochtouren. Das hat auch bereits vor Corona zugenommen. Die Pandemie-Gelder des Gesundheitsdepartements fliessen nun zwar nicht mehr, doch der Trend hält an. Und obwohl wir inzwischen über grössere Beratungsressourcen verfügen, führen wir weiterhin eine Warteliste für Ratsuchende, viele davon mit dringenden Anliegen.»

Das Thema psychosoziale Beratung ist eng mit zwei weiteren Themen verknüpft. Erstens: Bei vielen jungen Ratsuchenden liegen komplexe Mehrfachproblematiken vor. Zweitens: Die demographischen Veränderungen machen sich stark bemerkbar. Christoph: «Alleine die demographische Entwicklung – dazu gehören das Bevölkerungswachstum sowie die kulturelle und die soziale Durchmischung unserer Gesellschaft – weist darauf hin, dass Jugendliche und junge Erwachsene zunehmend Beratungsbedarf haben. Das ist nicht einfach ein Peak, eine Spitze, die wir jetzt erleben, der Bedarf wird anhalten und sogar noch steigen.»

Recht auf Information

Walters Team-Kollegin Bernadette Schaffner fügt hinzu: «Nebst den demographischen Entwicklungen spielen hier auch die generationellen Veränderungen eine grosse Rolle. Es ist nun eine Jugend herangewachsen, die ihr Recht auf Information in Anspruch nehmen will, die fragt: ‘Hey, warum muss ich mit 17 selber herausfinden, wie man die Steuererklärung ausfüllt und wie das mit der Krankenkasse funktioniert?’ Leider können wir heute nicht mehr davon ausgehen, dass dieses Wissen den Jugendlichen vom Elternhaus mitgegeben wird. Auch bei jungen Menschen, die Heimstrukturen verlassen, gibt es immer wieder Betreuungs-Lücken.»

Bernadette Schaffner, Mitarbeiterin Jugendberatung

Beide Sozialarbeitsprofis sind sich einig, dass es heute in der Kernfamilie sehr oft an ganz grundsätzlichem Wissen über finanzielle und amtliche Fragen mangle. Denn auch die Eltern ihrer Klient*innen seien häufig mit diesen Themen überfordert. Die Erwachsenen würden selber an Grenzen stossen, weil alles so kompliziert geworden sei.

Diese abwartende Haltung, diese Überforderungssituation

Christoph sagt: «Wir können durchaus eine Überforderung der Institution Familie feststellen, welche eine Überforderung der Gesellschaft im weitesten Sinne spiegelt. Existenzängste, Zukunftsängste, Ängste vor sozialem Abstieg, spielen heute bei Jugendlichen und bei Erwachsenen eine fatale Rolle. Ein Teil unserer Klientel trägt die Probleme ihrer Eltern weiter durchs Leben, anderen gelingt es, sie aufzulösen. Dazu können wir unseren Beitrag leisten. Wir stellen gerade bei vielen jungen Erwachsenen eine Überforderung fest, wenn es um Ausbildung geht, um Stipendien und weitere kantonale Leistungen, um die Wohnungssuche. Viele Jugendliche wollen ausziehen, aber sie können nicht. Das hört nicht einfach mit dem Erreichen des Erwachsenenalters auf…»

Bernadette fügt hinzu: «Es ist wissenschaftlich schon längst erwiesen, dass diese traditionellen Übergänge verschwinden. Die Jugenddefinition ‘bis 25’ ist klar angemessen, das zeigen auch die Erfahrungen aus unserem Arbeitsalltag.» Christoph: «Heute können wir sagen: was für Jugendliche, die in Heimstrukturen aufgewachsen sind, also unsere Care Leavers, in Extremform gilt, gilt auch für viele Jugendliche, die im Elternhaus aufgewachsen sind. Diese abwartende Haltung, diese Überforderungssituation sind Symptome unserer Zeit, unserer Gesellschaft.»

Der reale Bedarf nach niederschwelliger psychosozialer Beratung verschwindet eben mit der Volljährigkeit nicht auf magische Weise.

Sieben oder acht Berater*innen wären durchaus angemessen

Das Erwachsenwerden zögert sich heutzutage hinaus, gerade auch durch Ausbildungen. Andauernde Abhängigkeit junger Menschen vom Elternhaus, von Stipendien, Arbeitslosenkasse oder Sozialhilfe sind häufig geworden – so sehen die Themen aus, die junge Erwachsene heute fordern und überfordern.

Manchmal hängt so viel von einem einzigen Telefon an die richtige Adresse (die man erst mal kennen muss), vom korrekten Ausfüllen von Formularen, vom Stellen des richtigen Antrags, vom Wissen über die eigenen Rechte ab. Gerade in solchen Fällen kann unsere niederschwellige Jugendberatung den entscheidenden Unterschied machen, auch kann sie auffangen, triagieren, vermitteln.

Die steigenden Zahlen weisen klar den grossen Bedarf aus.

Eigentlich sollte eine Stadt in der Grösse von Basel unsere Jugendberatung mit ihrem enormen Wissen, ihrer grossen Erfahrung, ihrem umfangreichen Netzwerk noch deutlicher fördern. Der Erkenntnis entsprechend, dass JuAr Basel hier an einer sensiblen Schnittstelle agiert, in einem gewissen Sinne halt auch an einer Schnittstelle zwischen den Departementen Erziehung, Gesundheit, Soziales? Unser Beratungsteam agiert auf allen Ebenen. Dies zeigen auch die beiden neuen Projekte beispielhaft auf.

Wir von JuAr Basel meinen, wenn wir den zunehmenden Bedarf anschauen, dass sieben oder acht Berater*innen sowie ein Büro an zentraler Lage für die Jugendberatung durchaus angemessen wären. Dann könnte das Angebot auch so richtig Werbung für sich machen, wegen der personellen Unterbesetzung und der Warteliste haben wir es lange Zeit nicht getan. Heute tun wir es, aber halt nicht in aller Breite.

Fokus: «Care Leavers»

Die Sozialarbeiterin Madeleine Forrer betreut das «Cares Leavers»-Projekt der Jugendberatung, das im Zeichen interinstitutioneller Zusammenarbeit steht. Schliesslich geht es um junge Menschen, die in Heimstrukturen leben, diese bald verlassen werden oder bereits verlassen haben. Zudem übernimmt Madeleine auch Fälle der Jugendberatung. Das Projekt steckt in dieser Form gerade in den Anfängen. Zwar hat die Jugendberatung schon vorher mit dieser Klientel gearbeitet, doch JuAr Basel hat von der Abteilung Jugendhilfe des Erziehungsdepartements nun gezielt den Auftrag, sich um diese jungen Erwachsenen zu kümmern.

Madeleine Forrer, Verantwortliche Projekt „Care Leaver“

Heimaustritt – und dann passiert einfach nichts

Madeleine berichtet: «Zunächst geht es natürlich darum, Informationen zu sammeln und Fragen zu klären. Wie sieht der Stand der Nachbetreuung, der Nachsorge in Heimen und Institutionen aus? Wo liegt der Verbesserungsbedarf? Wie niederschwellig ist der Zugang für die «Care Leavers» zu Beratungsangeboten? Es hat sich in letzter Zeit ja diesbezüglich auch politisch einiges getan. Es gibt nun ein Nachbetreuungskonzept, Jugendliche die aus Wohnheimen und Pflegefamilien austreten, dürfen danach in einem bestimmten Mass Begleitung beanspruchen. Aber in der Umsetzung gibt es noch viel zu tun. Ich habe mich nun intensiv mit den Teams von Wohnheimen und mit Pflegefamilien ausgetauscht. Leider hat sich die Vermutung bestätigt, dass nach dem Austritt von Jugendlichen aus solchen Institutionen oft viel zu wenig passiert.»

Tief im Schlamassel stecken

Es gäbe Jugendliche, die in ihrer Heim-Zeit eine solide Berufsausbildung absolvieren und dadurch einen guten Weg finden, auch Jugendliche im Massnahmenvollzug würden in der Regel ziemlich gut auf den Austritt vorbereitet, in einem recht eng getakteten Setting. Madeleine erzählt: «Aber es gibt eben auch viele, und mit denen bekommt es die Jugendberatung oft zu tun, die einfach austreten, den Kontakt verlieren und nach ein, zwei Jahren tief im Schlamassel stecken, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen könne, weil sie nicht wissen, dass sie Ergänzungsleistungen zugute haben, weil sie die Steuererklärung nicht abgeben, manchmal ist das wirklich ein Abgrund.»

Natürlich seien viele dieser Jugendlichen der Betreuung, nach langer Heim-Zeit, überdrüssig. Sie sind schliesslich mit einem engen Netz von Regeln aufgewachsen, enger als dies in den meisten Familien der Fall ist. Diesen Freiheitsdrang müsse man, so Madeleine, eben auch respektieren und akzeptieren. Deshalb geht es beim «Care Leaver»-Projekt eben nicht um verordnete Beratung, sondern um ein Angebot, das freiwillig in Anspruch genommen werden kann – was dann wieder ganz dem Stil der Offenen Jugendarbeit, Marke JuAr Basel entspricht. Madeleine stellt klar: «Bei uns kann man nicht zuweisen, wir fragen unsere Klientel immer, ob sie das auch wirklich wollen.»

Zudem schaut die Sozialarbeiterin auch am Abend in Wohnheimen vorbei,  um die Jugendlichen über wichtige Themen zu informieren. Sie macht also Einzelberatungen, arbeitet aber auch mit Gruppen. Zudem steht sie im engen Austausch mit dem «Care Leaver Netzwerk Region Basel», coacht und begleitet die ehrenamtliche tätigen Care Leaver der Interessensvertretung. Das Care Leaver Projekt der Jugendberatung Basel ist momentan in der Pionierphase, wir sind gespannt auf die Erfahrungen und Erkenntnisse, die es bringen wird.

Fokus: «Catching Fire»

«Catching Fire» ist ein junges Projekt. Angefangen hat es vor zwei Jahren als Pilotprojekt der Präventionsabteilung des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt. Nach der Pilotphase ist es anfangs dieses Jahr von unserer Jugendberatung übernommen worden. Mit dem Projekt kam auch Irina Bischof in unsere Räumlichkeiten im Waisenhaus, sie hat einen Masterabschluss in Sport, Bewegung und Gesundheit: «Ich wollte ursprünglich Lehrerin werden und bin dann ins Gesundheitsdepartement hineingerutscht, ich unterrichte also nicht mehr.»

Irina Bischof, Verantwortliche Projekt „Catching Fire“

Bei «Catching Fire» steht die Betreuung Jugendlicher in ihrer Freizeitgestaltung im Vordergrund, ein Metier,  bei dem bei JuAr Basel natürlich grosses Wissen und beträchtliche Erfahrung vorhanden sind. Irina: «Wir unterstützen Jugendliche, die keine Hobbies haben, obwohl sie eigentlich möchten, und ihre Freizeit oft alleine verbringen. Momentan sind dies vor allem Leute, die neu in der Schweiz sind, die hier den Anschluss noch nicht gefunden haben, die auch keine Angebote oder Vereine kennen, an denen sie teilhaben können. Das sind einerseits UMA, also unbegleitete junge Menschen mit Migrationshintergrund. Andererseits solche, die mit ihrer Familie in die Schweiz gekommen sind. Was natürlich eine komplett andere Ausgangslage ist.

Irgendwie geht es immer

Irina: «Ich bekomme es hier mit vielen verschiedenen Sprach- und Kulturwelten zu tun. Das macht die Sache nur noch interessanter. Ich hatte zum Beispiel eine junge Frau aus der Ukraine in der Beratung, die aber kein Wort Englisch konnte. Sie hat also ihren Papa als Dolmetscher mitgebracht. Der konnte ein wenig Spanisch, ich auch. So haben wir uns verständigt. Irgendwie geht es immer.» Irina hat am Anfang unverzüglich damit begonnen, eine Datenbank mit Freizeitangeboten anzulegen: «Es ist schon toll, was es da in Basel alles gibt. Wenn man sich intensiv damit befasst, kommt man direkt ins Staunen. Sport aller Art, Musik, Chöre, Ateliers, das ist wirklich eine weite Landschaft. Ich konnte eine junge Ukrainerin, die unbedingt singen wollte an die Mädchenkantorei vermitteln, jetzt hat sie gerade ihr erstes Konzert in der Martinskirche. Ich konnte ihr helfen, den Anschluss zu finden. Das ist für mich eine schöne kleine Erfolgsgeschichte.»

An die Gründerzeit anknüpfen

Für Jugendliche, die über geringe Mittel Verfügung, versucht Irina bei Vereinen und anderen Angeboten Rabatte auszuhandeln oder sie stellt ein Stiftungsgesuch. Das Projekt fusst auf Eins-zu-Eins-Betreuung und passt bestens ins Sortiment der JuAr Basel, die ja einst «Basler Freizeitaktion» hiess. Da werden sich künftig wohl noch viele nützliche Synergien ergeben. Lustig ist, dass «Catching Fire» wieder an die Gründerzeit unserer Jugendberatung anknüpft. Als diese nämlich vor Jahrzehnten ins Leben gerufen wurde, war es ihr zentraler Auftrag, Jugendliche über Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zu beraten. Bevor dann im Laufe der Zeit die Drogen, die Teenagerschwangerschaften, die Schuldenproblematik, die komplexen psychosozialen Mehrfachproblematiken auf den Plan rückten.

Wie hiess doch gleich dieser Film aus den 1980er Jahren? Ah ja, «Zurück in die Zukunft», das passiert auch bei JuAr Basel, manchmal.

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Newsletter Herbst 2023 – Zehn Jahre Jugendarbeit in den Bibliotheken der GGG,

tolle Zusammenarbeit für ein starkes Projekt

Vor zehn Jahren hat die Zusammenarbeit der JuAr Basel mit den Bibliotheken der GGG Stadtbibliothek Basel begonnen. Der Auslöser dafür waren Gruppen von Jugendlichen, die in den Biblios abhingen und manchmal den Betrieb störten. Diese Situation hat sich nun ganz und gar ins Positive gedreht, die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereichern die altehrwürdigen Häuser der Bücher, der Bildung und der Medien.

«youth plattform»

Erstaunliche Projekte sind entstanden, verschiedene junge Publikumsstämme befassen sich im Schmiedenhof und in den Quartierbibliotheken mit ihren Projekten, die ihre Interessen aufnehmen. Lesen, schreiben, zeichnen, malen, programmieren, Musik und Podcasts aufnehmen, spielen, lernen, basteln, sich informieren, Hausaufgaben machen, vertrauliche Gespräche, dies alles und noch mehr ermöglicht unser Team in den Bibliotheken seiner jungen Klientel.

Das Angebot heisst inzwischen «youth plattform», auf seiner Homepage wirbt es mit einer ganz simplen Affiche: «Wir sind für Dich da, komm einfach spontan vorbei!» Und dankbar wird es von den Jugendlichen angenommen, die am 21. Oktober 2023 zahlreich zur grossen Birthday Party im Schmiedenhof geströmt sind, als Macher*innen und als Publikum eines gloriosen Samstagnachmittags.

«Super, wer heute alles gekommen ist»

Das Fest ist fast am Ende, die DJanes legen die letzten paar Tracks auf, erwachsene und junge Gäste plaudern noch zwischen Bücherwänden und Apéro-Tischchen. Yasmine El-Aghar vom Team des Hauses freut sich, dass ihr 13jähriger Sohn auch ans Fest gekommen ist, überraschend, aus eigenem Antrieb, mit einer Gruppe von Freunden zusammen. Wir aber suchen gerade ihren Kollegen Simon Zimmermann.

Yasmine: «Ich weiss nicht, wo er gerade steckt, wenn es um solche Anlässe geht, ist Simon wie eine Kreativmaschine. Er hat hier alle Hintergrundarbeit gemacht und viele intensive Stunden in die Vorbereitungen des Fests investiert. Das ist einfach eine tolle Leistung. Super, wer heute alles gekommen ist, Gäste von vielen Partnerorganisationen, die Leitungsleute der GGG Stadtbibliothek und der JuAr Basel – und dann all die Jugendlichen. Für mich waren die Lesungen unserer jungen Schreibenden der Hit, das staunt man nur noch über Fantasiereichtum und Präzision der Texte. Ach schau, dort drüben steht Simon, geh schnell hin, bevor er Dir entwischt.»

Von Jungen für Junge

Wir ziehen uns mit Simon in den dritten Stock des Schmiedenhofs zurück. Denn dieses Haus hat spezielle Lautstärkeregeln. Im zweiten Stock, in der Domäne unseres Teams, darf es auch mal laut sein, hier prangt ein riesiger Batman an der Wand, ein gastfreundlicher Ort für Kinder und Jugendliche, mit gemütlicher Ausstrahlung, mit Sesseln und Sofas. Im dritten Stock hat es viele Jugendliche und junge Erwachsene, die lernen oder Hausaufgaben machen, hier sind ruhige Gespräche erlaubt, hier können wir reden. Im vierten Stock herrscht die klassische wohltuende Bibliotheksruhe.

Simon stellt klar: «Man muss den Raum für so einen Anlass dekorieren, man muss eine Stimmung erschaffen. Es muss klar sein, dass da ein Fest stattfindet, sonst interessiert es die Leute nicht. Auch konnten wir ein wirklich tolles Programm anbieten, von Jungen für Junge. Ich konnte zum Glück eine Gruppe von etwa 15 von ihnen in die Veranstaltung einbinden. Sie repräsentieren verschiedene Gruppen, die bei uns aktiv sind – und natürlich haben ihre Freundeskreise das Publikum vergrössert.»

Podcasts sind das Radio von heute

Jugendliche vom Projekt «Book Hunters» haben während des Fests Gäste zu ihren Lesegewohnheiten und -vorlieben befragt. Simon: «Aus diesen Interviews werden wir einen Podcast machen, geschnitten und moderiert natürlich. Denn Podcasts sind unter unseren Jugendlichen enorm beliebt. Sie spielen heute die Rolle, welche früher das Radio innehatte. Die Book Hunters haben ja ein Budget von der Bibliothek, sie kaufen Bücher ein, die sie dann in einem eigenen Bibliotheksregal ausstellen können, mit kurzen Tipps versehen. Diese Lesetipps werden wir künftig als Podcast unter die Leute bringen, wahrscheinlich mit einem Spotify-Profil. Das wird garantiert auf Beachtung stossen.» Wir sind gespannt.

Junge Worte

Für die Lesungen am Fest waren die jungen Autor*innen vom hauseigenen Schreibclub «young words» verantwortlich. Simon: «Der Schreibclub läuft wie verrückt, die lesen einander ihre Geschichten vor, lernen voneinander, da gibt es Kritik und Lob, eine wirklich engagierte Gruppe. Sie arbeiten mit ganz einfachen Inputs. Die Texte, die heute vorgelesen wurden, sind letzten Donnerstag entstanden, die thematische Prämisse war ‘jemandem etwas zuleide tun’. Da sind dann allerlei Stories zusammengekommen, über Streiche unter Freund*innen – aber auch über Serienmörder*innen. Das Hauptinteresse unserer jungen Schreibenden gilt dem Fantasy-Genre, das ja dann auch wieder massenweise Subgenres kennt. Die meisten von ihnen sind so um die 14 Jahre alt. Die DJanes am Fest waren übrigens von unserem langjährigen Partnerverein ‘Hit Producer’, mit denen wir unsere Musikprojekte für Jugendliche machen. Ich dachte, dass eine Geburtstagsparty einfach ein bisschen Sound braucht, sonst wäre die Stimmung zu trocken. Mit von der Partie waren auch die Leute von unserem Animé-Club, die Mangas zeichnen, sowie die Leute von PlayGameRegio, sie betreuten die Spielstationen».

Botschafter*innen ihres Metiers

Die Mitarbeitenden unseres dreiköpfigen JuAr Basel Teams in den Bibliotheken der GGG sind längst sind auch zu Botschafter*innen ihres Metiers geworden. Sie haben schon diverse Fachvorträge über ihre Arbeitsmethoden an Universitäten, Schulen und Hochschulen gehalten, im In- und im Ausland, die auf grosses Interesse gestossen sind. Denn sie setzen die Methoden der Offenen Jugendarbeit Marke JuAr Basel im Rahmen der Bibliotheken sehr geschickt ein. Sie nehmen Anliegen, Visionen und Ideen der Besucher*innen auf – und schaffen erfolgreich solide Plattformen, auf denen die Jugendlichen wirken können, analog und digital.

Wir freuen uns über zehn erfolgreiche Jahre – und entbieten unseren Mitarbeitenden in den Bibliotheken der GGG zum Geburtstag ein fröhliches «Cent’ anni». Es würde wohl niemanden stören, wenn es hundert Jahre lang so weiter gehen könnte.

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Newsletter Herbst 2023 – Auf die Probleme in der Dreirosenanlage kann es keine einfachen Antworten geben

Wir wissen, dass hier auch repressive Massnahmen notwendig sind, aber die Leute von JuAr Basel, die im Kopf der Dreirosen arbeiten, setzen auf Kommunikation, auf Dialog und behalten das grosse Bild hinter den Problemen im Auge. Das ist keine geringere Leistung, denn es braucht sehr viel Geduld, Frustrationstoleranz und eine dicke Haut. Wie unsere Mitarbeitenden ihre Werte erhalten, während sie eine fast unerträgliche Situation aushalten, seit vielen Jahren, ist schlicht bewundernswert.

Spitzen brechen, doch der Alltag bleibt schwierig

Die Kameras hängen seit einiger Zeit und filmen die Anlage von oben. Eine erste Bilanz der Polizei ergibt, dass weniger schwere Gewaltdelikte verübt worden seien, das Dealen und die Kleinkriminalität würden allerdings weiterhin Probleme verursachen. Für die Polizei bleibe die Anlage weiterhin im Fokus. Die Teams von JuAr Basel arbeiten auf Bodenhöhe: Im Kleinbasler Kopf der Dreirosenbrücke, hier befinden sich die Freizeithalle, das Jugendzentrum und das RiiBistro. Sie pflegen ein gutes, offenes Verhältnis zur Polizei, eine Partnerschaft, die auch kritische Diskussionen aushält. Die Polizei ist meistens sehr schnell zur Stelle, um Gewaltspitzen zu brechen und aufzufangen. Doch es sind die zermürbenden Szenen und Ereignisse des Alltags, die den Leuten von JuAr Basel hier an die Substanz gehen.

Kalte Jahreszeit als Prüfstein

Marc Moresi, Leiter der Freizeithalle und künftiger Co-Geschäftsführer von JuAr Basel, steht am Rand der Anlage, an einem der letzten warmen Tage, langsam zieht der Herbst ins Land: «Jetzt kommt die Zeit, in der sich zeigen wird, ob die Kameras etwas bringen. In der warmen Jahreszeit ist hier eine sehr diverse Kundschaft unterwegs, wenn es aber kalt wird, bleiben vornehmlich die Gruppen, die Probleme haben und verursachen auf der Anlage. Weil sie der Treffpunkt dieser Leute geworden ist, weil viele von ihnen keinen anderen Ort haben, an dem sie den Tag verbringen können, weil hier Kundschaft und Deal aufeinandertreffen. Unsere Angebote werden im Herbst und Winter sehr gut genutzt, sie ziehen Jugendliche, Kinder, Familien an. Gleichzeitig rücken auch die schwierigeren Nutzenden der Anlage näher ans Haus, ins Trockene, was ja verständlich ist. Wenn die Kälte kam, dann ist für uns in den letzten Jahren immer die schwierigste Zeit angebrochen.»

Jene Spannung über der Szenerie

Was bringt der Alltag in der Anlage denn an Zumutungen und Schwierigkeiten? Offen wird hier Kokain konsumiert und gedealt, es wird gesoffen und gekifft, Streitigkeiten werden ausgetragen, auch mit Gewalt, Frauen und Mädchen werden belästigt, darunter ganz junge Teenager. Wenn die Eltern es erfahren, zögern sie oft, Anzeige zu erstatten. Weil sie und ihre Kinder täglich hier verkehren, die Angst Zielscheibe von Aggressionen aus den Reihen der rumhängenden Gruppen zu werden, ist spürbar. Auch Diebstähle gehören zum Alltag, Velos, E-Trottis, Handys, alles muss immer besonders gut gesichert, im Auge behalten werden. Es liegt immer jene Spannung über der Szenerie. Wer hier arbeitet, wird davon beeinflusst, dasselbe gilt für Jugendliche, die rund um unsere Angebote aufwachsen. Für Basler Verhältnisse stellt die komplexe Problemlage, welche sich auf dieser Anlage manifestiert, eine neue Dimension dar. Betrachtet man sie aus dem Blickwinkel von Leuten, die in Berlin, Lyon oder Memphis, Tennessee, wohnen, sieht sie eher harmlos aus.

Doch darf man, wenn man so relativiert, eine ganz banale Tatsache nicht vergessen: Wir verfügen im Kanton Basel-Stadt über eine Nutzfläche von nicht ganz 40 Quadratkilometern, dicht bewohnt, gerade im nördlichen Kleinbasel, kulturell enorm durchmischt. Ghetto-Situationen können wir uns eigentlich gar nicht erlauben. Friedliche Ko-Existenz kann die einzige tragfähige Lösung sein. Und dafür braucht es Kommunikation und Dialog, mit allen involvierten Gruppen, speziell mit jenen, die stören.

Sensationelle Schlagzeilen und überzogene Repressions- und Strafforderungen, die keine Chance auf Umsetzung haben, nützen vor Ort im Alltag halt gar nichts. Eine Stigmatisierung der problematischen Gruppen verschärft die Missstände lediglich.  JuAr Basel agiert in dieser Sache klar auf der Dialogseite, wenn nötig konfrontativ, im besten Fall entspannt, aber immer mit Respekt vor dem anderen Menschen, dem Gegenüber. Doch wer ist dieses Gegenüber?

Keinen Anschluss, keine Familie, kein Recht auf Arbeit

Es sind Gruppen von jungen Männern unterschiedlicher Nationalitäten, einige von ihnen sind noch sehr jung, viele von ihnen sind alleine hierhergekommen, haben hier keinen Anschluss, keine Familie, keine Chance auf Arbeit. Die Herkunftsländer dieser Männer haben sich, in all den Jahren, während denen die Missstände in der Anlage sich entwickelt haben (Ansätze gab es seit 2007), immer wieder verändert. Damit veränderten sich jeweils auch die Topografie der möglichen kulturellen Missverständnisse und gegenseitigen Abneigungen, die Konfliktfronten im Drogenhandel, die psychischen Verfassungen der Männer.

Momentan handelt es sich vor allem um Menschen aus Afrika, darunter tendenziell islamische Nordafrikaner, die hier keine Chance auf Asyl haben, und tendenziell eher christliche Gruppen aus West- und Zentralafrika, praktisch alle stammen aus ehemaligen europäischen Kolonien. Kulturelles Konfliktpotential unter den genannten Gruppen, ist gegeben.

Die Mitarbeitenden von JuAr Basel versuchen, wenn immer möglich, Beziehungen zu diesen Menschen aufzubauen, so viele Kenntnisse, wie möglich, über deren Lebenssituationen zu erwerben, ihnen die Regeln des Zusammenlebens auf der Anlage und in der Schweiz zu vermitteln, kritische Situationen zu moderieren. Und sie zögern nicht, die Polizei zu rufen, wenn es brennt.

Sozialer Zündstoff

Aber es ist halt viel sozialer Zündstoff vorhanden, viele der Männer, die hier gestrandet sind, haben grauenhafte Dinge erlebt, Kriege, Bürgerkriege, bittere Armut. Danach waren sie Monate oder sogar Jahre auf Fluchtrouten unterwegs, mit einem Traum von Europa im Kopf, auf den gleich bei der Ankunft niederschmetternde Enttäuschungen folgen. Sowie die Erkenntnis, wie weit der Weg eines geflüchteten Menschen zum erträumten Einkommen, dem Auto, der Wohnung in Europa ist.

Sie sind hier gestrandet, wir können (und wollen) nichts mit ihnen anfangen, können ihnen keine Arbeit, keine Existenzgrundlagen bieten und lassen sie das spüren. Einige von ihnen haben von ihren Familien viel Geld für die illegale und gefährliche Reise erhalten, quasi als Investition, und es wird erwartet, dass nun regelmässig etwas Substantielles zurückkommt, andere haben in Kriegen gekämpft…

Verletzte Menschen

Wir haben es hier in vielen Fällen mit verletzten Menschen zu tun, denen letztlich nichts anderes übrigbleibt, als sich illegal zu betätigen. Gleichzeitig konsumieren sie oft Drogen, um all die Demütigungen und Niederlagen zu verdrängen, die sie erlebt haben. Der Drogenhandel hat seine genauso massgeschneiderten wie grausamen Strukturen, in die diese Männer – sowohl als Dealer als auch als Konsumenten – bestens hineinpassen. Und jemand mit einer derartigen Biografie muss sehr stark sein, um diesem System zu entkommen. Was meinen Sie, wären Sie stark genug?

Und, wir wollen uns keine Illusionen machen, wenn wir alle Drogen legalisieren würden, dann wären es andere illegale Aktivitäten, die auf diesem Boden wachsen könnten, die womöglich noch weitaus dramatischere Folgen hätten, als das Dealen. Tatsache ist, diese Leute sind hier – und wir bieten ihnen nichts Niederschwelliges an. Da gibt es keine spezialisierte aufsuchende Sozialarbeit, die mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist, um einen spürbaren Unterschied zu machen, es gibt keine organisierten Treffpunkte oder Lokale für diese Menschen. Bei diesen Leuten versagt die Integrationspolitik unserer Stadt, unseres Landes ganz offensichtlich. Da ist einfach kein Budget vorhanden. Dabei würden wir uns doch nur selber helfen, wenn wir ihre Situation verbessern. Denn die Situation ist so unerträglich, weil sie auf beiden Seiten Opfer produziert.

integrationspolitische Massnahmen

Deshalb setzen die Teams von JuAr Basel im Brückenkopf im Umgang mit diesen Problemgruppen auf Kommunikation und Dialog, es geht ja gar nicht anders. Sie machen das, weil sie es tun müssen, als Anlieger und Profis, die auf unterschiedlichen Feldern der sozialen Arbeit wirken. Aber ihnen wird dadurch auch Zeit gestohlen, die sie eigentlich lieber für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einsetzen würden, für die sie arbeiten, die es hier im nördlichen Kleinbasel auch nicht alle einfach haben. Wir können die komplexen Probleme in dieser Anlage nicht lösen, weil unser Fokus auf der Jugendarbeit liegt, die Polizei kann sie mit ihren Mitteln nicht lösen, weil Repression alleine nicht reicht, das Ranger-Konzept ist zwar diskutabel, aber viel zu klein angerichtet und gedacht. Es braucht hier eine weitere Kraft, es braucht durchdachte und flexible integrationspolitische Massnahmen, mit geschultem Personal und Entscheidungskompetenzen ausgestattet.

Auch wenn hier, in den Quartieren um die Dreirosenbrücke, in vier oder fünf Jahren massive Bauarbeiten beginnen, welche die Gegebenheiten verändern, muss diese soziale Problematik angepackt werden, denn sie wird uns so schnell nicht verlassen – und je länger wir abwarten, desto schwerwiegender werden sich die Probleme entwickeln.

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Newsletter Herbst 2023 – Wenn Dreck und Kot ein Jugendzentrum überfluten

Seit der PurplePark, das Jugendzentrum von JuAr Basel im Gundeli, mit der grossen Skateanlage vor dem Haus, eine «Internationale Bushaltestelle» der SBB vor der Tür hat, wird das Gelände täglich zugemüllt und als öffentliche Toilette missbraucht. Die Putzarbeiten, die das Team deswegen leisten muss, gestalten sich genauso ekelhaft wie zeitaufwendig. Ein unhaltbarer Zustand. Leider hilft uns bis jetzt niemand. Obwohl die Gundeli Zeitung einen grossen Artikel zum Thema gebracht und Annina von Falkenstein, Grossrätin der LDP, einen Vorstoss in dieser Sache eingereicht hat, hat sich nichts bewegt.

Offene Jugend- und Szenenarbeit par excellence

Der PurplePark liegt neben dem Südkopf des Bahnhofs SBB. Er ist das grösste Angebot von JuAr Basel im Gundeli, wo unserer Organisation noch die Mädona-Lounge für Mädchen und junge Frauen am Tellplatz betreibt. Nebst dem Jugendzentrum, dessen oberes Geschoss Räume für kreative Aktivitäten bietet, und dem Treff im Parterre des Gebäudes, erstreckt sich vor dem Gebäude des PurplePark ein hervorragender, überregionale bekannter Skate-Park.

Die Elemente, über die die schnellen Räder rollen, wurden während vieler Jahre gebaut. Dabei haben das Team und engagierte junge Leute aus der Skater-Szene, sie nutzen die Anlage regelmässig und wirken fortwährend bei der Instandhaltung und Weiterentwicklung mit, gemeinsam angepackt: projektorientierte Offene Jugend- und Szenenarbeit par excellence also. Das Angebot ist gut frequentiert, agiert erfolgreich und innovativ auf unterschiedlichen Ebenen. Zwei festangestellte Mitarbeitende und Mitarbeitende in Ausbildung, teilen sich hier die Arbeit. 190 Stellenprozente müssen reichen, um den vielseitigen Betrieb zu schmeissen, das ist knapp bemessen, so wie übrigens die personelle Situation in allen grösseren Angeboten unserer Organisation.

Das Problem mit den Bussen und dem Müll, darunter viele FlixBusse mit ihren günstigen Tarifen, lastet nun seit Monaten schwer auf dem Team und den Besuchen, die Stimmung im Angebot ist sichtlich beeinträchtigt. Was ist passiert?

Die Reisenden stranden im Jugendzentrum

Ganz einfach. Die Bushaltestelle beim Bahnhofs-Südkopf wird umgebaut. Die schmale Zone vor dem PurplePark dient als Provisorium. Hunderte von Reisenden frequentieren diese Station. Tag für Tag. Einige von ihnen müssen hier stundenlang auf Anschluss warten. Doch gibt es hier für diese Leute keinerlei Infrastruktur und keine Informationen. Verantwortlich für die Situation sind die SBB, als Betreiberin des Bahnhofs.

Sabrina Fleury: «Am Anfang haben wir uns zurückgehalten, obwohl das mit dem Müll, dem Kot, dem Urin schon sehr bald angefangen hat. Nach einiger Zeit haben wir uns bei den SBB gemeldet und mussten erfahren, dass diese Provisoriums-Situation noch bis 2025 bestehen würde. Tatsache ist, hier unten gibt es für die Reisenden zurzeit nichts, keine Sitzplätze, keine mehrsprachigen Infos. Den Weg auf die Bahnhofs-Passarelle müssen die Leute zuerst Mal finden – und auch dort hat es gerade mal einige wenige Sitzbänke, die keineswegs ausreichen. Gerade wenn es regnet, kommen die Passagiere regelmässig in den PurplePark, wollen hier auf die Toilette, möchten an der Bar etwas trinken, die Sitzgelegenheiten nutzen, sich ausruhen. Sie nehmen unser Haus quasi als Station wahr. Dazu kommen die Müllberge, die sie hinterlassen, Essensreste, Gepäckstücke, Tüten voller Abfall, Windeln, das müssen wir alles wegräumen. Die SBB sagen heute stolz, nachdem wir und die Geschäftsleitung von JuAr Basel uns mehrfach über die unhaltbaren Zustände beklagt haben, sie hätten ja unverzüglich und kostenlos ein Toi-Toi-WC hingestellt. Das stimmt so nicht. Wir mussten lange stürmen, bis da gerade Mal ein einziges WC-Häuschen hingestellt wurde. Ich finde, dass die SBB sich um ihre Verantwortung drücken. Das mit dem Provisorium war wohl nicht so richtig zu Ende gedacht.»

Sogar der Hochdruckreiniger kommt dem Urin nicht bei

Dieses blaue Häuschen, das direkt im Eingang des Purple Park steht, auf dem Areal des Jugendzentrums, nicht auf dem Trottoir, genügt keineswegs für die vielen Reisenden. Der Kunststoffkasten stinkt jeweils nach wenigen Stunden derart zum Himmel, dass ihn niemand mehr betreten will. Die Mauern des Jugendzentrums sind von Urin getränkt, dass das Team, so Sabrina, ihm nicht einmal mehr mit dem Hochdruckreiniger beikommt: «Wir erscheinen zur Arbeit – und es sieht hier aus und riecht wie auf einer Müllhalde. Die Unmengen an Abfall, die wir wegräumen müssen, sind extrem eklig. Es ist uns fast schon peinlich, wenn einige Jugendliche mal etwas früher erscheinen und das Gelände so sehen.»

Da setze man sich stets dafür ein, dass die jungen Nutzenden des Angebots kein Littering betreiben – und dann kommt diese Situation. Der Abfall wird übrigens in die Container des Hauses geworfen. Entsorgt wird er dann auf Kosten von JuAr Basel, über das Jugendzentrumsbudget. Eine von der SBB zur Verfügung gestellte Abfallentsorgung gibt es nicht.

So sah es im Herbst 22 im Purple Park aus: Der einzige „Dreck“ am Boden waren farbige Blätter

Schlicht unzumutbar

Natürlich bekommt es das Team eines Jugendzentrums immer auch mit Putzarbeiten zu tun. Doch was hier geputzt werden muss, hinsichtlich der Zeiterfordernisse und der Intensität, ist schlicht unzumutbar. Und es ist schade, dass die eh schon knappen Ressourcen nicht vollumfänglich der Jugendarbeit zukommen. Bei den Reisenden, die im Jugendhaus stranden, handelt es sich oft um Leute, die mit einem kleinen Budget unterwegs sind. Viele Busse, die hier Station machen, gehören schliesslich zu den billigsten erhältlichen Reiseangeboten. Die hilflose Buskundschaft stellt das Team deshalb auch vor Gewissensfragen. Natürlich lässt man die Leute auf die Toilette gehen, wenn sie sich dann aber im Treffraum ausbreiten, Getränke bestellen wollen, muss eine Grenze gezogen werden. Ein Jugendhaus kann kein Busbahnhof sein. Der bisherige Tagesrekord waren übrigens 27 Busse.

Die Besitzerin des Geländes, auf dem der PurplePark steht, sind die IWB. Sie wurden von JuAr Basel über die Zustände informiert – und möchten nun weiterhin auf dem Laufenden gehalten werden.

Dem kommen wir nun auch mit diesem Artikel nach, es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als in dieser Sache an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch an diesem Standort muss die Offene Jugendarbeit täglich Zustände ausbaden, die sie nicht verursacht hat. Und niemand fühlt sich dafür zuständig. Liegt das vielleicht daran, dass die Buskundschaft sehr günstig reist und deshalb kein grosser Bahnhof für sie organisiert werden soll? Werden deshalb hunderte von Passagieren, von Frauen, Männer, Familien, Betagten im Regen stehen gelassen?

Wir wissen es nicht, wir fangen die Probleme, die diese offensichtliche Fehlplanung verursacht, nur auf…

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Newsletter Herbst 2023 – Tod nach TikTok Challenge – die neueste Herausforderung für die Digitale Jugendarbeit

Medienberichte über Jugendliche aus Deutschland, die nach einer TikTok-Challenge verstorben sind, häuften sich im September. Es geht dabei um die Deo-, One-Chips- oder Black-Out-Challenge: Was im Spass und meist harmlos beginnt, kann in einer Tragödie für die Betroffenen enden. Ist diese Gefahr bereits auch unter Jugendlichen in Basel real? Und was kann die Digitale Jugendarbeit dagegen tun? – Eine Einordnung.

Endrit Sadiku, Leiter Digitale Jugendarbeit JuAr Basel

Von Endrit Sadiku

Eine Challenge, die aktuell viel Beachtung und Nachahmung erhält, ist die «One-Chip»-Challenge, bei der es darum geht, scharfe Chips zu essen und sich dabei filmen zu lassen. Wie Recherchen zeigen, geht es dabei nicht um handelsübliche Chips, die man im Supermarkt findet. Über Handelsplattformen im Internet lassen sich diese Chips für unter 10 Franken jedoch leicht bestellen. Die Chips werden mit «Carolina Reaper Chilli» verfeinert und die Schärfe auf der Scoville-Skala beträgt bis zu 2.1 Millionen. Zum Vergleich: Tabascosauce erreicht einen Wert von 2500 bis 5000 auf der Richterskala. Die gefährlichen Nebenwirkungen beim Verzehr dieser Chips können Atemprobleme, erhöhter Herzschlag oder gar Darmblutungen sein – und damit zum Tod führen.

Ein ähnliches Phänomen stellen die «Deo-Challenges» dar. Dabei geht es um das möglichst lange Aufsprühen des Inhalts einer Deo-Flasche auf die Haut. Die Folgen: Durch die Kälteverbrennung werden die Schmerzrezeptoren blockiert, so dass weiter gesprüht werden kann, obwohl bereits massive Hautschädigungen vorliegen. In der Black-Out-Challenge würgen sich die Personen selbst so lange, bis sie das Bewusstsein verlieren und dabei filmen sie sich selbst.

Die aktuelle Situation in den Jugendzentren von JuAr Basel

Die zehn Jugendzentren von JuAr Basel beobachten und begleiten Trends immer sehr genau. Glücklicherweise wecken die obengenannten Challenges (noch) keinen Eifer bei den Basler Jugendlichen. Das bedeutet aber nicht, dass die Gefahr nicht auch unter Basler Jugendlichen Einzug halten wird. So berichtet unser Mädchentreff Mädona (Gundeli und Claraplatz), dass sie bereits die «Hot-Chips-Challenge» bei den Mädchen registriert hätten. Jedoch in abgeschwächten Variationen, wie bspw. dem Essen von scharfen Nudelsuppen oder sauren Süssigkeiten. Auch in den Kleinbasler Jugendzentren Eglisee und Chillout seien «Variationen» der TikTok-Challenge «Hot-Chips» aufgetreten. Hingegen berichten die Jugendarbeit in den Stadtbibliotheken (unser Kooperationsprojekt mit den GGG Stadtbibliothek) und das Jugendzentrum Bachgraben, dass die Challenges auf TikTok zwar immer wieder Thema seien, aber von den dortigen Jugendlichen mit wenig Interesse verfolgt oder nachgeahmt werden. Gar kein Thema unter Basler Jugendlichen scheinen die Black-Out und Deo-Challenges zu sein.

Die Mitarbeitenden unserer Jugendzentren arbeiten täglich mit den Jugendlichen und bauen Vertrauensbeziehungen auf. In Gesprächen über komische und gefährliche Dinge, die sie in den Sozialen Medien sehen, vermitteln wir Informationen, klären über die Folgen dieser Challenges auf und entwickeln gemeinsam Handlungsoptionen. Damit können wir die Attraktivität dieser gefährlichen Challenges brechen.

Trend-Researching – ein Mittel der Digitalen Jugendarbeit

Organisationsübergreifend haben alle Einrichtungen von JuAr Basel auf diese Entwicklungen bereits reagiert und in ihren Teams seit einiger Zeit Fachdelegierte für Digitale Jugendarbeit ernannt. Diese Personen tauschen sich regelmässig über aktuelle Trends aus und suchen gemeinsam nach Lösungen. Die JuAr Basel hat eine Fachperson designiert, welche im Rahmend der digitalen Jugendarbeit ein Trend-Monitoring in den sozialen Medien macht. An internen Weiterbildungen und in Austauschgefässen werden diese Themen benannt und gemeinsam nach Vorgehen und Haltungen erarbeitet. Challenges in den Sozialen Medien sind eine Realität. Es ist wichtig, dass wir die Jugendlichen dort informieren und sensibilisieren können, wo sie sind – in den digitalen und analogen Räumen.

Die JuAr Basel ist überzeugt, dass ein frühzeitiges Aufspüren dieser Trends und die partizipative Herangehensweise mit Jugendlichen zusammen, eine präventive Wirkung entfaltet, um solche Tragödien wie jüngst in Deutschland geschehen, gar nicht erst aufkeimen zu lassen.

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Newsletter Herbst 2023 – Jubilar

Marcos Vaistij, Mitarbeiter Freizeithalle Dreirosen, Technischer Dienst

JuAr Basel gratuliert Marcos Vaistij herzlich zum 15-jährigen Jubiläum bei JuAr Basel. So sehen ihn seine Kolleg*innen vor Ort:

«Seine effiziente und kreative Arbeit, aber auch seine hilfsbereite und fürsorgliche Art, sein südamerikanisches Temperament, sowie sein Humor machen Marcos zu einem einmaligen Mitarbeiter, mir dem es in der Freizeithalle nie langweilig wird.»

«Ein Top -Mensch, -Arbeitskollege + -Freund (immer hilfsbereit) – ein Unikat!»

«Marcos hat immer ein offenes Ohr und besitzt die Fähigkeit mit seiner Mimik und Gestik quer durch die Halle zu kommunizieren. Ausserdem zeichnet er sich durch seine ehrliche und interessierte Art aus, mit welcher er neuen Menschen begegnet.»

«Ich freue mich sehr, mit solch einem sensiblen, ausgleichenden und sympathischen Seereisenden wie Dir zusammen zu arbeiten! Dein Input inner- und ausserhalb der 3-R ist mir mit solch menschlichem Tiefgang richtig wichtig und lieb. Danke! Schön, dass Du mit uns bist!»

«Es ist mir eine Ehre und Freude mit Marcos zusammenarbeiten zu können!»

«Unser Marcos – ein aussergewöhnlicher, einzigartiger Mensch und ein lieber Freund! Seit dem ersten Tag fester Teil unseres gemeinsamen 3R-Fundaments und ein gewichtiger Mitgrund, warum ich so gerne in der Freizeithalle bin und unser Team so sehr mag und schätze!»

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Weitere spannende Lektüre

Last but not least empfehlen wir euch noch unseren hochspannenden, hauseigenen Gender-Newsletter und wünschen weiterhin viel Spass beim Lesen!

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